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Belleville. Belle et Rebelle

Deutschland, Frankreich 2022, Regie: Daniela Abke, 98 Min., FSK: ohne Angaben

Der wunderbare Dokumentarfilm „Belleville. Belle et Rebelle“ porträtiert das Belleville, Pariser Einwandererviertel par excellence, durch seine Menschen und seine Geschichte. Alles dreht sich um das „Bistro chantant“ namens „Le vieux Belleville“, in dem abends die Gäste zusammen mit den Künstlern populäre Chanson singen. Den Führer durch Viertel und Film macht der alte Baske und Revolutionär Lucio, ein Charakter und geborener Geschichtenerzähler. Bei einem Besuch am Grab des Kommunarden Eugene Pottier auf Père-Lachaise singt Lucio das Liebeslied „Le Temps des Cerises“ (Die Zeit der Kirschen) von J.B. Clément. Gleichzeitig fragt er sich, wieso die Franzosen heute so reaktionär und so gleichgültig geworden sind. Wie in dieser rührenden Szene dreht sich im schwarzweißen „Belleville“ alles um Geschichten und Geschichte. Die meisten Häuser hier und in anderen Pariser Vierteln sind von Ausländern gebaut worden. Ein alter Maler dokumentiert die Wandlung des Viertels und die Veränderungen. Über Fotografien schwelgt Cafébesitzer und Chronist Joseph in Erinnerungen. Die Dokumente zeigen altes Leben und die einschneidenden Zerstörungen durch Neubauten. Die Fotos stammen von Robert Bober, Regieassistent von Truffaut, Schriftsteller, Fotograf und Filmemacher. Und in der Dokumentation dokumentiert alles noch einmal der schottische Bistro- und Wandmaler Steven.

Dabei ist „Belleville. Belle et Rebelle“ kein gefälliger Liederzyklus, denn erst nach über 20 Minuten erklingt das erste Lied im Café. Trotzdem gefällt und begeistert er mit der Kunst des guten Dokumentarfilms, nämlich interessante Menschen zu finden und sie dann einfach zu zeigen. Dieser außergewöhnliche Film bietet dazu einen Querschnitt durch das Viertel mit enormer Breite und Tiefe. Und selbst als es darum geht, eine ETA-Aktivistin zu unterstützen, gibt es noch ein Lied dazu. So kann man „Belleville“ viel lebendige und aktive Nostalgie bescheinigen, was kein Widerspruch, sondern ein besonderer Reiz ist.


Ein FILMtabs.de Artikel