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The Woman King

USA 2022, Regie: Gina Prince-Bythewood, mit Viola Davis, Thuso Mbedu, Lashana Lynch, 144 Min., FSK: ab 12

In der Tradition von „Gladiator“ und „Braveheart“ erzählt dieses Hollywood-Spektakel von einem großen Befreiungskampf. Jedoch mit anderen Vorzeichen: Die Heldinnen sind westafrikanische Amazonen, die sich selbst vom Fluch des Sklavenhandels befreien. Alle Diversitäts-Häkchen sind gesetzt und die Unterhaltung stimmt auch bei Gina Prince-Bythewoods erstem Ausflug ins Action-Genre. Oscar-Gewinnerin Viola Davis („Ma Rainey’s Black Bottom”, „Fences“, „How to Get Away with Murder“) teilt sich die Hauptrolle mit der jungen und ebenbürtigen Thuso Mbedu („The Underground Railroad“).

Im westafrikanischen Königreich von Dahomey verteidigen die Agojie Freiheit und Marktwege. Sie sind eine rein weibliche Einheiten von Kriegerinnen mit bemerkenswerten Kampfkünsten. Im heftigen Gemetzel der Eröffnungsszene werden ahnungslose Männer in der Nacht von Generalin Nanisca (Viola Davis) und ihren Kämpferinnen überfallen. Sie wollen einige der ihren befreien und schlachten dabei alle Männer des Dorfes ab. Die Heimkehr ist ein Triumphzug – mit umgedrehten Geschlechterrollen: Männer und kleine Jungs dürfen den Clan der Kämpferinnen und ihre Generalin nicht anschauen! Der Sieg fordert aber auch Opfer in Naniscas Truppe und sie beschließt, eine neue Generation auszubilden.

Zeit für den Auftritt der zweiten Hauptfigur mit einer kleineren, mehr persönlichen Geschichte: Die junge Nawi (Thuso Mbedu) schubst ihren arrangierten Ehemann weg, nachdem der sie geschlagen hat. Ihr Vater bietet sie deshalb als Geschenk an den König an, doch Naniscas rechte Hand Amenza (Sheila Atim) bringt sie als Lehrling zu den Kämpferinnen. Dort fällt Nawi vor allem als Trotzkopf auf, zeigt aber auch einiges Talent an den Waffen. Die alte Geschichte von dem jungen Rebellen, der sich nicht an die Regeln hält und damit die seinen rettet, gibt es diesmal mit einer Rebellin. Später reibt sich Nawi vor allem an einer Regel der Agojie: Sie leben im Zölibat – keine Männer, keine Kinder. Trotzdem fällt sie Nanisca auf, lange bevor beide eine ganz andere Verbindung entdecken.

In der großen Handlungslinie will Nanisca den jungen König Ghezo (John Boyega) überzeugen, aus dem Kreislaufhandel mit Sklaven und portugiesischen Waffen auszusteigen. Denn das Königreich von Dahomey zahlt mit Menschen Tribut an einen arabischen Stamm, der wiederum in ihrer Küstenfestung mit den Portugiesen handelt. Um die Handlung kräftig mit Gefühl aufzupeppen (Buch: Dana Stevens und Story von Schauspielerin Maria Bello, „Navy CIS“), taucht noch ein portugiesisches Halbblut auf, der seine Wurzeln im Dorf der Nanisca sucht und zusammen mit Nawi Liebe findet. Deren Vorgeschichte als adoptiertes Waisenkind liefert weitere Substanz für Überraschungen und Emotionen.

Gina Prince-Bythewood („Die Bienenhüterin“) selbst nannte „Gladiator“, „Der letzte Mohikaner“ und „Braveheart“ als Inspiration für ihren neuesten Film. Der ist schon erstaunlich, weil die Regisseurin bislang hauptsächlich Liebesfilme drehte. Liebesfilme mit schwarzen Frauen im Zentrum, die sich befreiten und entwickelten. Die erste Ausnahme war jedoch 2020 die Netflix-Produktion „The Old Guard“ über eine Gruppe Unsterblicher, welche die junge Nile (Kiki Layne) aufnehmen. „The Woman King“ überträgt nun das Heldenepos und den Befreiungskampf eines Volkes in einen anderen Kulturbereich. Einer, der nicht nur filmisch „unterbelichtet“ ist.

Als ob „The Woman King“ möglichst viel auf einmal aufholen will, zieht der Film alle Register mit einer wiedergefundenen Waise und einer Mutter, die einst ihr Baby weggab. In dies emotionale Setting ist das große historische Thema eingebaut, nicht mehr die gefangenen Feinde als Sklaven zu verkaufen, sondern mit den anderen Reichtümern des Landes zu florieren. Dies Plädoyer Naniscas aus dem Jahr 1820 ist selbstverständlich auch das Argument aktueller Diskussionen, den Ausverkauf der afrikanischen Rohstoffe zu beenden. Mit der Liebesgeschichte über die Grenzen der Völker hinweg, hat „The Woman King“ fast zu viel Material. Und erinnert an sehr kitschige Filme des alten Hollywood. An große und gelungene Filme Hollywoods.

Bei allem Gelungenen leidet der Film wieder enorm unter einer geradezu idiotischen Konzeptionsidee: Die meisten der Figuren sprechen ein Englisch mit irgendwie „afrikanischem“ Dialekt. Dabei ist klar, dass die Bevölkerung dort ihre Sprache durchaus ohne Dialekt beherrscht. Diese Sprachverfremdung verdummt den Eindruck der Protagonistinnen auf unverschämte Weise.


Ein FILMtabs.de Artikel