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Don’t worry Darling

USA 2022, Regie: Olivia Wilde, mit Florence Pugh, Harry Styles, Olivia Wilde, 122 Min., FSK: ab 12

Der grandiose und kluge feministische Film von Schauspielerin und Regisseurin Olivia Wilde beginnt mit dem Styling von Tim Burton, erschreckt zwischendurch mit einer Menge David Lynch und entzaubert die heile Welt der 50er am Ende mit etwas ganz Eigenem. Wildes Partner, die aktuelle Musik-, Mode- und Film-Ikone Harry Styles („Dunkirk“), sieht auf der Fassade gut aus, spielt aber letztendlich nur eine Nebenrolle als Film-Gatte der eindrucksvollen Florence Pugh („Black Widow“, „Little Women“).

Die utopische Gemeinde Victory amüsiert und beeindruckt in den Bildern vom zweifach Oscar-nominierten Kameramann Matthew Libatique („A Star Is Born“, „Black Swan“) als kunterbunte Mustervorstadt, in der morgens sogar die Männer wie im Ballett die Ausfahrt verlassen, um zu irgendeiner geheimnisvollen Tätigkeit zu fahren. Die happy Housewives bleiben zurück und ergeben sich ihrer täglichen Routine aus Putzen, Essen vorbereiten und Tanzkursen, bevor sie die Männer abends wieder mit wildem Sex begrüßen.

Hört sich traumhaft an. Die Frage ist nur, für wen und wessen Traum das ist. Boss der ganzen Unternehmung ist der charismatische Führer Frank (Chris Pine). Er lädt in „seine große Familie“ ein, motiviert und befördert. Alles ist ausschweifend glücklich und euphorisch. Bis sich Irritationen in Alicens Wahrnehmung und ins Bild einschleichen. Die sich bis zu subtil horrenden Situationen im Stil von David Lynch steigern. Aber auch ganz konkret zerquetscht eine Wand mit Fotos glücklicher Paarszenen Alice beim Putzen der gegenüberliegenden Glasscheibe. Und sie ist nicht die einzige Frau, die sich fragt, was die Männer eigentlich den ganzen Tag in dem verbotenen Bereich mitten in der Wüste machen. Auch nicht die einzige mit Problemen im Paradies: Die Freundin Margaret (KiKi Layne), der „hysterische“ Spinnerei nachgesagt wird, ruft sie um Hilfe, und bringt sich kurz darauf vor ihren Augen um. Allerdings behauptet jeder, Margaret sei wohlauf und werde in einer Klinik behandelt. Da wird Alice letztendlich auch landen, nachdem sie sich bei einem Abendessen zur Beförderung ihres Ehemannes Jack Chambers (Harry Styles) wundert, dass sich alle Paar fast identisch kennengelernt haben und auch die Hochzeitsreisen sich wie ein Ei dem anderen gleichen. Alice ahnt nicht nur allein etwas, es gibt auch Nachbarin und Freundin Bunny, die alles weiß. Mit viel Hintersinn gespielt von Regisseurin und Autorin Olivia Wilde.

„Don’t worry, darling“ begeistert anfangs mit herrlichem Styling: Top Shots sowohl auf das alltägliche perfekte Frühstück, als auch auf Alices Version der Tanzfiguren von Busby Berkeley. Das grandiose Styling bleibt von den anfänglichen Alltagsszenen in einer Traumwelt bis zum sehr spannenden Finale. Wilde ist bekannt als Dr. Remy „Dreizehn“ Hadley aus der Serie „Dr. House“, als Quorra im Film „Tron: Legacy“, als die weibliche Hauptrolle im Science-Fiction-Western „Cowboys & Aliens“ neben Daniel Craig und Harrison Ford oder Rachel Salas und die Film-Mutter von Justin Timberlake im Science-Fiction-Thriller „In Time – Deine Zeit läuft“. Demnächst wird sie in „Babylon“ zu sehen sein. Bei „Don’t worry, darling“ führte sie Regie nach einem Drehbuch, das aus der Feder der „Booksmart“-Autorin Katie Silberman stammt. Schon Wildes erste Regie „Booksmart“, die letzte Schulzeit-Nacht von zwei zu strebsamen Teenie-Mädchen, war bemerkenswert in der Ernsthaftigkeit und den unerwarteten Variationen des ausgelutschten Genres.

„Don’t worry, darling“ ist ähnlich gelagert, wie die Fünfziger-Traumwelten aus der Marvel-Serie „WandaVision“ – eine vor allem im Denken vieler US-Amerikaner heile und bessere Welt, in der sich mit den Mitteln von Film und Fernsehen irritierende Störungen zeigen. Das „Damals, wo alles viel besser war“ erweist sich am Ende als traurige und ziemlich aktuelle Wirklichkeit jämmerlicher Männer, die nichts tun (können), und denen nichts anderes einfällt, als ihre Frauen mit Gewalt zu Hause zu halten. Das ging ja auch vielleicht in den Fünfzigern alles viel einfacher. Oder in Ländern wie Afghanistan und Iran.

Der momentane Teenie-Star Harry Styles spielt eigentlich nur eine Nebenfigur, die sich wichtig fühlt und auf schön macht, aber in Wirklichkeit ein ganz anderes Gesicht hat. Tatsächlich eindrucksvoll dagegen Florence Pugh, die mit ihrer Figur Alice sowohl die Einfalt des Traumlebens als auch den verzweifelten Kampf um die Wirklichkeit glaubhaft macht. Beim exzellent inszenierten Film sind vielleicht Hinweise wie „morgen die (ganze) Welt“ und das „Wunderland“-Gespann aus Alice und dem Kaninchen (Bunny) überzogen. Doch insgesamt reißt der Film nachhaltig einige Schleier der Täuschung ein.


Ein FILMtabs.de Artikel