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Die Küchenbrigade

Frankreich 2022 (La Brigarde) Regie: Louis-Julien Petit, mit Audrey Lamy, François Cluzet, Chantal Neuwirth, 97 Min., FSK: ab 0

„Ratatouille“ als Sozial- und Flüchtlingsdrama, dazu ein Schuss Medienkritik. Ganz schön viel packt Louis-Julien Petit sich in „Die Küchenbrigade“ auf seine Gabel, doch ohne die üblichen Weichspüler und Dümmlichkeiten der meisten französischen Komödien gelingt ein abgerundetes Wohlfühl-Menü mit viel Substanz.

Nein, das geht gar nicht, die Eigenkreation „Hibiskus-Orgel“ mit Balsamico-Sauce zu versauen! Da muss natürlich die passende Kräutermischung dran! Deutlich zu hören, wir befinden uns hier im Schnellkochtopf ausgebildeter Egos. Und als es Cathy Marie (Audrey Lamy) endlich reicht, wie ihre Schöpfung von einer TV- und Starköchin verhunzt wird, muss sich die ebenso besonders aus- wie eingebildete Sous-Chefin wieder auf dem Boden der Realität zurechtfinden. Und diese Realität sieht ziemlich heruntergekommen aus, denn Lorenzo (François Cluzet), Leiter eines Heims für unbegleitete Flüchtlinge, hat sie mit einer geschönten Anzeige in seine Kantine gelockt. Als Unterkunft bekommt sie einen eigenen Schlafsaal, komplett mit Jugendherbergs-Charme. Auf Flüsterentfernung lebt die übergewichtige, komische Kollegin Sabine (Chantal Neuwirth), die ausgerechnet Fan von Cathy Maries verhasster Ex-Chefin und deren Fernseh-Show ist.

Statt eigenem Restaurant gibt es Dosenravioli, Mikrowelle und eine ungeschickte Küchenbrigade aus männlichen Heimbewohnern, teilweise mit falschem Machostolz und generell eher an Fußball interessiert. Cathy ist in die kulinarische Hölle geraten. Doch mit der Disziplin von Küchenarbeit kann sie auch die Jungs zu Talenten am Sparschäler und der Menükarte erziehen. Die Ablehnung der unerwarteten Umgebung weicht auch auf, weil sie sich an ihre eigene Kindheit im Waisenheim erinnert. Mit der Begeisterung vor allem eines kleinen Kochfans kapern Cathy und ihre Gehilfen die Koch-Show, um auf das Schicksal abgeschobener Flüchtlinge hinzuweisen.

„Ich wollte eine Sozialkomödie drehen, ein Genre, dass ich für eines der besten halte, um schwierige gesellschaftliche Themen anzusprechen. Die Herausforderung bestand darin, die Problematik der minderjährigen Migranten realistisch zu behandeln und gleichzeitig einen Teil Komik und Optimismus zu bewahren,” sagt Regisseur und Koautor Louis-Julien Petit. Schon in „Der Glanz der Unsichtbaren” stellte er mit wunderbaren Figuren und obdachlosen Frauen, die sich selbst spielen, der neoliberalen Kälte von „Fordern und Fördern” ein herzerwärmendes, fröhliches und berührendes Sozial-Märchen entgegen. Auch dabei spielte Audrey Lamy eine Hauptrolle. In „Die Küchenbrigade“ löst sich die widerspenstige Rauheit ihrer Figur immer mehr auf, das Interesse an den Jungs und deren Schicksal sind herzzerreißend.

Das teilweise Happy End – einige der Jungs wurden doch abgeschoben – ist nicht nur filmische Fantasie: Vorbild für Cathy ist die Köchin Catherine Grosjean, die am Lycée Hôtelier in Treignac eine Berufsschulklasse betreut und eine Küchenbrigade aus minderjährigen Migranten leitet. Louis-Julien Petit hat längst den Meisterbrief darin, brennende Themen unterhaltsam zu erzählen, ohne seine Figuren oder das Publikum zu verdummen.


Ein FILMtabs.de Artikel