« | Home | »

Der Gesang der Flusskrebse

USA 2022 (Where the Crawdads sing) Regie: Olivia Newman, mit Daisy Edgar-Jones, David Strathairn, Taylor John Smith, 126 Min., FSK: ab 12

Die bescheidene Verfilmung eines Romans von Delia Owens kann als konventionelles Gerichtsdramas mit vielen Rückblenden wohl nur Fans des Buches interessieren oder verärgern. Für alle anderen ist „Der Gesang der Flusskrebse“ eine mäßige Emanzipationsgeschichte mit schönen Sumpfbildern.

Als der ehemalige Quarterback Chase Andrews (Harris Dickinson) tot am Boden liegt, ist das schockierend für die Nation, die den American Football so glorifiziert und die Sportler uneingeschränkt zum Helden macht. Noch dazu gehörte der zukünftige Erbe eines florierenden Geschäfts zur „guten Gesellschaft“ des Städtchens Barkley Cove und die erwählt Ende der 1960er-Jahre im ländlich rückständigen North Carolina eine Außenseiterin zur Hauptverdächtigen. Schnell wird Catherine „Kya“ Clarke (Daisy Edgar-Jones), die allein in einer Hütte im Marschland lebt, von Polizisten mit kurzgeschorenem Haar verfolgt und verhaftet.

Es gibt keine Zeugen, keine Beweise, doch die unabhängige Frau, die nie mit ihrem Namen angesprochen, sondern immer nur „das Marschmädchen“ genannt wird, wird von allen verurteilt, bevor der Prozess beginnt. Nur der ältere Rechtsanwalt (David Strathairn) kann ihr Schweigen brechen, indem er ihr eines der Notizbücher aus der Hütte bringt. So blicken wir mit seiner langsamen Annäherung hinter das Bild der Vorurteile, entdecken, dass Kya kein wildes Wesen aus dem Sumpf ist, das kaum sprechen kann.

In langen Rückblenden erzählt die kluge und sensible Frau dem Anwalt ihre unglaublich melodramatische Lebensgeschichte: Die Familie der kleinen Kya wird von einem gewalttätigen und saufenden Vater terrorisiert. Früh lernt das Kind, es ist am besten, sich zu verstecken. In einer dramatischen Entwicklung, die unfreiwillig komisch wirkt, läuft erst die Mutter weg. Dann lassen nach ein paar rührenden Abschiedsszenen mit Ãœberlebenstipps die älteren Geschwister das hilflose kleine Mädchen zurück. Und zur Krönung haut dann noch der Vater als der Verursacher all des Elends ab. Aber die Siebenjährige überlebt auf sich gestellt mit dem Verkauf von ihren Fängen aus dem Sumpf und mit der Unterstützung eines afroamerikanischen Händlerpaares. Zur Schule geht sie wegen des Spotts der Mitschüler nicht, vor den Behörden versteckt sie sich im Marschland. Als Teenager lernt sie den gutherzigen Tate (Taylor John Smith) kennen, doch der enttäuscht ihre Liebe, als auch er sie verlässt – für sein Biologie-Studium. Für den extrem unsympathischen Chase Andrews ist Kya nur eine weitere Trophäe, doch aus Einsamkeit lässt sie sich kurzzeitig auf eine Beziehung ein. Die ist jedoch schon seit Jahren beendet, als Chase tot aufgefunden wird.

Während es das Gerichtsdrama mit öden Spießbürgern, die alles Abweichende hassen, tatsächlich schafft, dass man nie um das Wohlergehen von Kya und den Ausgang des Prozesses bangt, kann die autodidaktische Entwicklung der jungen Frau punkten. Ihre Begeisterung für die Natur um sie herum, führt mit Unterstützung Tates zu genauen Studien und schönen Zeichnungen der Fauna und schließlich zu einem in Fachkreisen anerkannten Buch. So verwundert es nicht, dass ausgerechnet Hollywood-Schauspielerin Reese Witherspoon großen Anteil am Erfolg des im Sommer 2018 erschienenen Buches hatte. Sie stellte es in der populären Literatursendung „Hello Sunshine“ vor, was dazu führte, dass „Der Gesang der Flusskrebse“ mit 4,5 Millionen verkauften Exemplaren 2019 das erfolgreichste Buch in den USA war. Witherspoon sicherte sich die Filmrechte und produzierte den Film mit. Wegen ihrer Erfolge mit Filmen wie „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“, „Natürlich blond“, „Walk the Line“ und „Der große Trip – Wild“ darf man sie nicht unterschätzen, sie ist längst als Produzentin eine einflussreiche Person in Hollywood.

Das Ergebnis der allgemeinen Begeisterung für die Vorlage von Delia Owens – Taylor Swift schrieb einen Song für den Film – ist allerdings eine erschreckend triviale Geschichte, die auch von haufenweise schwülstigen Naturaufnahmen nicht überdeckt werden kann. „Der Gesang der Flusskrebse“ erinnert stark an die berüchtigten Eichinger-Literaturverfilmungen, die brav den Inhalt der Bücher und den Willen der Fans zusammenrafften, aber nie etwas darüber hinaus riskierten. Große Langeweile war der gemeinsame Nenner, siehe „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“. Bis auf die eine dicke Ãœberraschung der letzten Seiten und Minuten bleibt es auch nun übersichtlich. Tate selbst nimmt jede Hoffnung auf Besonderes: „Flusskrebse singen nicht!“


Ein FILMtabs.de Artikel