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The Gray Man

USA 2022, Regie: Anthony Russo, Joe Russo, mit Ryan Gosling, Chris Evans, Ana de Armas, 122 Min., FSK: ab 16

Der Actionthriller um schmutzige CIA-Geschäfte ist als einer der Netflix-Hits des Jahres für wenige Tage in ausgewählten Kinos zu sehen. Tage, die man nutzen sollte, um den Knaller der Russo-Brüder mit Ryan Gosling als besserer Bond ganz groß erleben zu können.

Der Gefangene Court Gentry (Ryan Gosling) bekommt Besuch von Donald Fitzroy (Billy Bob Thornton), der ihm nicht nur langersehnte Kaugummis mit dem richtigen Melonen-Geschmack mitbringt. Er verspricht auch als „Zauberfee mit unpassendem Aussehen“ Gentry sofort aus dem Knast zu bringen und ihm die restlichen Jahrzehnte der Haft zu ersparen. Dafür müsse er nur das, was ihn ins Gefängnis gebracht hat, ab jetzt für die Gesellschaft tun. Genauer: Für die CIA böse Menschen umbringen.

18 Jahre später feiert „The Gray Man“ das chinesische Neujahr mit einem Action-Feuerwerk: Gentry ist mittlerweile bekannt als Sierra Six, Auftragskiller des Auslandsgeheimdienstes für Aktionen unter dem offiziellen Radarschirm. Sein aktuelles Opfer, das er nach einer aufregenden Verfolgung erlegt, erklärt mit seinen letzten Atemzügen, dass er Sierra Vier sei. Also Kollege mit gleicher Ausbildung, der vom CIA-Boss Denny Carmichael (Regé-Jean Page) abgeschossen werden soll, weil er zu viel wusste. Begehrtes „MacGuffin“ für den Rest des Films ist nun ein USB-Stick mit den Machenschaften Carmichaels.

Die Brüder Anthony und Joe Russo haben mit „Captain America: The Winter Soldier“ (2014), „Captain America: Civil War“ (2016), „Avengers: Infinity War“ (2018) und „Avengers: Endgame“ (2019) ein paar von Marvels erfolgreichsten Filmen verantwortet und eine dementsprechende Fangemeinde. Die knallige Netflix-Produktion „The Gray Man“ wirkt nun wie eine Steigerung der überlangen Marvel-Arbeiten und gleichzeitig wie Befreiung von ihnen: Die Action über die schmutzige Agenten-Welt ist unglaublich rasant erzählt, die Handlung fliegt um den Erdball, wobei die übliche Öde solchen Film-Tourismus‘ völlig entfällt, wenn Prags Altstadt im ausufernden Feuerwechsel halb geplättet wird. Ein sagenhaft spektakulärer Flugzeugabsturz mit lässig ironischem Ryan Gosling mittendrin gehört zu den weiteren Höhepunkten. Wie überhaupt die Besetzung durchgehend überzeugt: Das Wiedersehen mit Billy Bob Thornton („Fargo“) als Agenten-Vater erfreut. Chris Evans darf, genial gegen seinen „Captain America“ besetzt, grandios den psychopathischen Ex-Agenten spielen, der beim Foltern Schoppenhauer über den Wert des Leidens zitiert. Einen besonders starken Einsatz hat Ana de Armas („James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“) als einzige Agentin auf der Seite von „Six“. Nachdem sie ihn das xte Mal aus dem größten Schlamassel geholt hat, kommentiert dieser: „Mein Ego hat ein paar Kratzer. Ich würde dich auch gerne mal retten.“

Selbst wenn das Ende zu übertrieben ausfällt, gelingen den Russo-Brüdern auch da einige Höhepunkte des Haudrauf-Genres. Selbstverständlich mit der unvermeidlichen Portion Gefühl: Denn unser Killer mit dem guten Herzen will am Ende nur noch die Nichte seines Mentors retten. Wenn sich Claire (Julia Butters) am Ende mal wieder die Ohren zuhalten soll, weil für ihr Überleben haufenweise CIA-Beamten sterben müssen, stellt sich allerdings doch die Sinnfrage dieses Action-Spaßes.


Ein FILMtabs.de Artikel