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Glück auf einer Skala von 1 bis 10

Schweiz/Frankreich 2021 (Presque) Regie: Bernard Campan, Alexandre Jollien, mit Bernard Campan, Alexandre Jollien, Tiphaine Daviot, 92 Min., FSK: ab 6

Es ist zwar nur ein Fast-Zusammenstoß, der den eiligen Bestattungsunternehmer Louis (Bernard Campan) mit dem Fahrradkurier für Biogemüse Igor (Alexandre Jollien) zusammenbringt. Und der Begleiter der letzten Ausfahrt verhält sich trotz großen Stresses total korrekt, bringt den jungen Mann ins Krankenhaus und bleibt bei ihm, bis alles in Ordnung ist. Doch Igor, der wegen Sauerstoffmangels bei der Geburt leicht behindert ist, taucht dann bei einer langen Überführungsfahrt neben dem Sarg auf und es entwickelt sich ein Roadmovie mit einigen Überraschungen.

Denn Igor ist zwar relativ selbstständig, aber vor allem anhänglich. Und er sorgt sich um das Wohlergehen des „Nicht-Behinderten“. Während sie erst zum Bahnhof wollen, dann doch zusammen im Hotel, auf einer Party und letztendlich sogar mit neuem Anzug auf der Beerdigung landen, hat er für jeden Stolperstein des Lebens eine philosophische Weisheit parat. Eine Tramperin, die sie auch noch mitnehmen, meint, er hätte „ein Buch gefrühstückt“ – wohl eher eine ganze Bibliothek. Es ist erfreulich, dass hier nicht alle Beteiligten einen Lehrgang im Umgang mit Behinderten ablegen müssen. Louis bleibt völlig normal, ein paar blöde Bemerkungen von Umstehenden kontert der Junge selbst gekonnt.

Hauptdarsteller des Igor, Ko-Autor und -Regisseur Alexandre Jollien wurde mit zerebraler Kinderlähmung geboren und gilt als populärer französischsprachiger Philosoph. Eine seiner Buchveröffentlichungen las schon 2007 der bekannte Schauspieler Bernard Campan ein. So ist es kein Zufall, dass dieser nach seinem César-Erfolg von „Alles kein Problem“ (als Schauspieler, Autor und Regisseur) zusammen mit Jollien diesen netten Film realisierte. In „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“ muss man an „Rain Man“ mit Dustin Hoffman und Tom Cruise denken. Aber der Schweizer Film verläuft undramatisch und nicht hollywood-mäßig perfekt dramatisiert. Das ist teils angenehm, aber auch etwas dünn für einen langen Kinofilm, der erst mit der Überraschung des Finales wieder packt. Hier wird nicht das ganze Leben auf den Kopf gestellt, aber aus einem blinden Passagier wird ein Freund.


Ein FILMtabs.de Artikel