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Nico (2021)

Deutschland 2021, Regie: Eline Gehring, mit Sara Fazilat, Sara Klimoska, Javeh Asefdjah, 79 Min., FSK: ab 12

Die junge Nico (Sara Fazilat) ist eine fröhliche und lebensbejahende Altenpflegerin in Berlin. Mit ihrer besten Freundin Rosa (Javeh Asefdjah) regt sich die Iranisch-Stämmige lachend über verhüllte Mädchen auf, die auch noch über Halal-Kondome reden. Auch wenn der Job oft schwer ist, hat Nico Spaß im Leben. Die Autofahrerin, die sie mit ihrem Rad von der Straße hupen will, bekommt den klebrigen Donat des nächsten Kunden auf die Windschutzscheibe.

Bis ein paar fremdenfeindliche Kartoffel-Deutsche Nico aus heiterem Himmel anmachen und brutal zusammenschlagen. Niemand hilft, erst im Krankenhaus wacht sie wieder aus der Ohnmacht auf. Als anderer Mensch. Zwar scherzt sie noch mit Rosa, doch selbst als die Verwundungen im Gesicht langsam verschwinden, hat sie draußen Angst und versteckt sich in der Stadt unter ihrem Hoddie.

Der Moment des Angriffs ist ein doppelt schockender für Nico und die Zuschauer: Vorher gab es keinen Gedanken, dass sie nicht „dazu gehört“. Selbstbewusst ging sie ihren Weg. Den hat sie nun verloren. Hilfe sucht sie beim gradlinigen Karate-Weltmeister Andy (Andreas Marquardt). Doch trotz der Techniken zur Selbstverteidigung wird Nico immer angespannter und aggressiver. Selbst mit ihrer besten Freundin Rosa will sie nichts mehr zu tun haben. Und bei der Pflege macht sich die hilflose alte Dame Brigitte (Brigitte Kramer) Sorgen: „Det Leben ist zu kurz für son langes Jesicht!“ Ja, der schwere Weg Nicos zurück zu sich selbst, findet auch immer etwas Humor.

Als Nico auf einer Kirmes die Mazedonierin Ronny (Sara Klimoska) trifft, entwickelt sich eine Verbindung zwischen den beiden Frauen, welche die Abwärtsspirale stoppt. Die Motive Ronnys bleiben rätselhaft, doch die Veränderung tut Nico gut.

„Nico“ ist stilistisch kein besonders „dreckiger“ Großstadtfilm. Überhaupt steht der Stil zurück hinter dem Spiel von Sara Fazilat als Nico, Javeh Asefdjah als ihre Freundin Rosa und Andreas Marquardt als authentischer Trainer Andy. Im glaubhaften, lebensnahen Auftreten liegt die Stärke des Ensembles und des Films.

Das mutmachende Drama ist der Film von Hauptdarstellerin Sara Fazilat: Sie hat zusammen mit Regisseurin Eline Gehring und Kamerafrau Francy Fabritz das Drehbuch geschrieben. Zudem ist sie Produzentin des Films. Produktion ist das Fach, das sie an der DFFB in Berlin und der Columbia University in New York studierte. Trotzdem werden wir Sara Fazilat 2022 oft vor der Kamera sehen: Sie wird in Michael Bully Herbigs „1000 Zeilen“ eine tragende Rolle übernehmen, ebenso in „Holy Spider“, dem neuen Film von Ali Abbasi, der seine Premiere 2022 im Wettbewerb von Cannes feiern wird. Als Produzentin und Autorin schreibt sie an ihrem Langfilm „Arier“.

Regisseurin Eline Gehring begann ihre Karriere als Kamerafrau und Editorin für deutsche Berichterstattung in Paris, Prag, Kiew und Berlin. Stationen führen sie auch nach Südafrika, wo sie 2011 ein Jahr lang Kurzfilme, Dokumentationen und Social Spots für NGOs dreht. 2013 nimmt sie das Regiestudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) auf und inszeniert Kurzfilme, die auf internationalen Filmfestivals ihre Premiere feiern. 2016 beginnt Gehring die Arbeit an ihrem Langfilm-Debüt „Nico“, der 2021 bei seiner Weltpremiere im Wettbewerb des 42. Filmfestival Max Ophüls Preis den „Nachwuchs-Schauspielpreis“ für Sara Fazilat in der Hauptrolle gewinnt. Im Jahr 2022 steht „Nico“ in der Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis.


Ein FILMtabs.de Artikel