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Death of a Ladies’ Man

Kanada, Irland 2020, Regie: Matt Bissonnette, Mit Gabriel Byrne, Jessica Paré, Brian Gleeson, Suzanne Clément, Antoine Olivier Pilon, 100 Min., FSK: ab 16

Die Hitliste der besten Songverfilmungen ist lang und umstritten. Sie hatte schon eine Leonard Cohen-Platzierung mit „Take This Waltz“ von Sarah Polley. Absolut hitverdächtig nun der Neuzugang und Abgesang eines trinkfesten College-Professors und „Ladies’ Man“, mit reifer Ironie von Gabriel Byrne gespielt.

(„Hallelujah“ mal außer acht gelassen. Das ist eine eigene Cover-Geschichte mit dem Vater, der seinen Sohn nicht „Shrek“ sehen lassen wollte, weil der durch die Version von Rufus Wainright schwul werden könnte!)

Sänger und Komponist Leonard Norman Cohen (1934-2016) ist eine kanadische Legende. Dass beim kanadischen Volkssport Eishockey allerdings sein Song „Like a bird on a wire“ als Nationalhymne angestimmt wird und dazu die Spieler ein schwules Kufen-Ballett hinlegen, kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Der irischstämmige Literatur-Dozent Samuel O’Shea (Gabriel Byrne), dem sein Sohn gerade erzählt hat, dass er schwul und verliebt sei, sieht diese großartige halluzinatorische Szene wegen eines Gehirn-Tumors, von dem er noch nichts weiß. Es hätte auch wegen des Alkohols sein können. Bei der jungen Ärztin, die Samuel anfangs noch anbaggert, meint er lapidar, die vielen Gläser Hochprozentigem, die er seit Jahrzehnten täglich trinkt, seien letztens noch mehr geworden. Weil er nämlich seine ebenfalls jüngere zweite Frau wenige Minuten nach einer unterbrochenen Abreise mit einem Jüngeren im Bett erwischt hat.

„Death of a Ladies’ Man“ ist genau, was der Titel (eines Cohen-Songs und -Albums) verspricht: Der alte Samuel O’Shea ist noch immer Frauenverschleißer und wird bald sterben. Zu weiteren grandiosen Cohen-Songs und Halluzinationen, die es wünschenswert machen, so abzuleben. Und auf jeden Fall so etwas (im Kino) zu erleben.

Noch eine viel jüngere Frau erwartet Samuel beim Familien-Cottage in Irland, wohin er flieht, ohne seiner Familie etwas vom Tumor und dem baldigen Tod zu sagen. Die dortige Verkäuferin – ausgerechnet aus Quebec – liest selbstverständlich Cohen. Bei gemeinsamen Spaziergängen am Strand begleitet sie der Song „Why Don’t You Try“ sowie eine Band aus Mariachi, Sensemann, Trapper, Cheerleader und buddhistischem Mönch, der Cohens altem Meister Roshi nicht sehr ähnelt.

Zuhause erwartete ihn bereits der Geist seines jünger verstorbenen Vaters für versöhnliche Gespräche über Schmerzen der Kindheit und dessen Trennung von der Mutter. Selbstverständlich kann sich der Literat dabei den Hinweis auf den Geist von Hamlets Vater nicht verkneifen. Generell kassiert der unheilige Trinker in allen Begegnungen eher ein, als dass er austeilt. Was zu einer durchaus berührenden Lebensbeichte eines alten egoistischen Genießers führt. Immer wieder schnell unterbrochen von aberwitzigen Musikeinlagen. Das Playback zu „Did I ever love you“ beim Versuch der Ernüchterung mit einer AA-Gruppe wird zum Ringelreihen um den einsamen, aber altersmilden Mann.

Der charismatische Ire Gabriel Byrne setzt noch einmal einen Glanzpunkt seiner jahrzehntelangen Karriere auf höchstem Niveau. In John Boormans „Excalibur“ fiel er 1981 als König Uther auf. In „Gothic“ (1986) spielte er den Dichter Byron mit seinem Hinkebein, beim frühen Coen „Miller’s Crossing“ (1990) war er dabei. Neben Schwarzenegger spielte er in „End of Days – Nacht ohne Morgen“ (1999) den Satan.

„Death of a Ladies’ Man“ erinnert nur entfernt an „I’m Not There“, die Filmbiografie über Bob Dylan von Todd Haynes. Der Film des Québécois Matt Bissonnette ist freier, wenn er Motive von Cohen-Songs und eine schlüssige Geschichte eines ebenso stillvollen College-Professors sich ergänzen lässt. Das sensationelle Ergebnis ist eine irre Tragikomödie, eine große Freude und ein Muss für Cohen- und Kino-Fans, für rauschsüchtige Cineasten, für Literaturtrunkene und alle, die selbstvergiftende Männlichkeit mit einem kräftigen Schuss Ironie genießen können. Am Ende sind wir genau wie die Hauptfigur überrascht, dass es schon vorbei ist. Es hätte noch eine Weile so schön weitergehen können.


Ein FILMtabs.de Artikel