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Wo in Paris die Sonne aufgeht

Frankreich 2021 (Les Olympiades) Regie: Jacques Audiard, mit Lucie Zhang, Makita Samba, Noémie Merlant, Jehnny Beth, 105 Min., FSK: ab 16

Regisseur Jacques Audiard hat mit „Dheepan“, „Der Geschmack von Rost und Knochen“ und „Ein Prophet“ gleich einige gewaltig eindrucksvolle Werke realisiert. Die Comicverfilmung „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ lässt es mit ihrem Pariser Liebesreigen emotional gemächlicher angehen und nähert sich auf hohem Niveau der Grenze von Belanglosigkeit.

Für „Dämonen und Wunder – Dheepan“, der Geschichte eines tamilisches Widerstandskämpfers und eines verwaisten Mädchens, gab es 2015 die Goldene Palme in Cannes. Ebenfalls in dort für „Ein Prophet“ 2009 den Preis der Jury. „Der Geschmack von Rost und Knochen“ war 2012 ein atemberaubend intensives Drama mit Marion Cotillard und Matthias Schoenaerts.

Nun leichte Liebe in Paris: Émilie sucht eine Mitbewohnerin. Dass Camille auftaucht, ist also ein Missverständnis aufgrund des „binären“ Namens. Doch der Charme des Bewerbers bringt ihm erst ein WG-Casting und dann ins Bett von Camille. Wo beide viel Spaß haben, er allerdings auf Beziehungslosigkeit besteht. So wohnen sie neben- und miteinander, bis ihr Wunsch nach Nähe ein paar Mal schmerzlich zurückgewiesen wird. Zudem bringt er seine neue Eroberung mit. Die Kollegin, die ihn an der Schule ersetzt, weil er eigentlich seine Doktorarbeit schreiben will. Um unabhängig zu bleiben, zieht er aus, bevor Camille ihn rausschmeißt. Während sich Émilie nun auf Tinder austobt, jobbt er als Immobilienmakler und verfällt seiner Kollegin Nora. Die Spätblüherin aus Bordeaux hat ihr Jura-Studium aufgegeben, nachdem sie aufgrund einer Verwechslung mit dem Porno-Star Amber Sweet massiv gemobbt wurde. Ausgerechnet mit ihrem Double entwickelt sich eine Chat-Beziehung, die Nora bei der Emanzipation von Camille hilft.

Audiard versucht altmodisch, mit begrenztem Notensatz ein neues Lied der Leidenschaften zu komponieren. Man muss aufpassen, dass man in die einfachen, in Schwarzweiß gefilmten Beziehungs-Geschichtchen von „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ nicht zu viel hineinlegt. Denn was jeweilige Anziehungen auslöst oder beendet, ist freundlich gesagt sehr übersichtlich. Der deutsche Titel will fälschlich Paris-Romantik verkaufen, während der originale „Les Olympiades“ die Liebeleien im nüchternen 13. Arrondissement in einer Reihe von Hochhäusern verortet. Trotzdem lassen sie sich – gut gespielt und leichthändig inszeniert – nett ansehen. Zu belanglos nett vielleicht in Zeiten, die von gewichtigen Veränderungen geplagt sind.

Das Buch schrieb Jacques Audiard zusammen Céline Sciamma („Porträt einer jungen Frau in Flammen“) und Léa Mysius, das Ergebnis umschreibt das Sprichwort „Viele KöchInnen verderben den Brei“.


Ein FILMtabs.de Artikel