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SAF

Türkei, Rumänien, Deutschland 2018, Regie: Ali Vatansever, mit Erol Afsin, Saadet Aksoy, Kida Khodr Ramadan, 102 Min., FSK: ohne Angabe

Die Gentrifizierung raubt dir das Dach überm Kopf und du musst selber den Bagger fahren, der das Haus abreißt. In diese äußerst prekäre Lage gerät der einfältige türkische Arbeiter Kamil (Erol Afsin), dessen altes Viertel in Istanbul teuren Hochhäusern weicht. Der Arbeitslose kauft vom wenigen Geld ein Radio für das Gemüse im Garten. Er hätte gehört, mit Koran-Suren würden es besser wachsen.

Mit der Schwangerschaft, prekären Arbeitsverhältnissen und der Sorge, das Dach überm Kopf zu verlieren, ist „SAF“ ein klassisches Sozialdrama. Mit bösem moralischem Dilemma: Die Zwangslage bringt den armen Kamil dazu, ohne Führerschein und Erfahrung einen Job als Baggerfahrer anzunehmen. Jetzt reißt er nicht nur ganz persönlich die Häuser im eigenen Viertel ab. Es hassen ihn türkischen Kollegen, weil er für niedrigen Lohn arbeitet, den die syrischen Flüchtlinge bekommen. Diese wollen ihn verprügeln, weil er einem der ihren (Kida Khodr Ramadan) den Job abgenommen hat. Und die Nachbarn sehen in Karim einen Verräter.

Zu den anstrengenden Nachtschichten kommt das Problem, dass er kein Geld hat, den jetzt dringend gebrauchten Bagger-Führerschein zu machen. Kamil erlebt einen Gegenschlag nach dem anderen, selbst das geschenkte Silberbesteck ist nur versilbert und nichts wert. Er bettelt Freunde um Geld an, aber die haben selber nichts. Der beste Freund Fatih ist ein Simpeldenker, der „die Schwuchtel verprügeln“ will, die „ihm den Job wegnimmt“. Dabei will der Syrer Ammar (Ramadan) nur seinen eigenen Job zurück. Der allgegenwärtigen Fremdenfeindlichkeit stellt der Film eine rührende Szene entgegen, wenn der Baggerfahrer Karim wortlos zu sich nach Hause und zu seinen Kindern mitnimmt, ihm seine ärmliche Lage zeigt. Karim bringt ihm zuerst etwas von seinem Gemüse, wird dann durch die Zwänge des Raubtierkapitalismus‘ zu einer extremen Tat getrieben.

Die zentrale Frage des nüchternen Films ist laut Regisseur Ali Vatansever: „Wie bewahrt man seine Menschlichkeit an einem so schwierigen Ort, wenn man von Monstern umgeben ist?“ Auch wenn „SAF“ nach der Hälfte des Films die Perspektive zu Remziye wechselt, die verzweifelt ihren verschwundenen Mann sucht, bleiben wir auf der Seite derer, die versuchen, Anstand und Mitmenschlichkeit aufrecht zu erhalten. Das sind nicht unbedingt die Bürgerrechts-Gruppen, wie der aufmerksame und intensive Film pointiert zeigt. Kida Khodr Ramadan („4 Blocks“), der Schauspieler ohne Führerschein, hat einige sehr starke Szenen.


Ein FILMtabs.de Artikel