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Spencer

Großbritannien, Deutschland, Chile, USA 2021, Regie: Pablo Larraín, mit Kristen Stewart, Jack Farthing, Richard Sammel, 117 Min., FSK: ab 12

Nicht zufällig nennt sich dieser „Diana“-Film fast bürgerlich „Spencer“ nach dem Familiennamen der Princess of Wales. Wenn sich Pablo Larraín, der eher sozialistisch und demokratisch interessierte chilenische Regisseur der Anti-Pinochet-Abstimmung „No!“, der Freiheitsdichter-Bio „Neruda“ und des Kennedy-Dramas „Jackie“, nun den Royals zuwendet, dann nicht nur, um die zweijährige Pause von „The Crown“ zu überbrücken, in der auch gerade Diana im Mittelpunkt steht. „Spencer“ ist ein intensives, zeitweilig surreal überzeichnetes Psycho-Drama im Hause Windsor.

Weihnachten 1991 zieht eine ganze Armee von Köchen ins Schloss Sandringham. Mit Containern voller Hummer und anderem Luxus-Essen wird generalstabsmäßig das Weihnachtsfest der Queen vorbereitet. Alles läuft präzise ab, nur eine ist wieder zu spät: Prinzessin Diana (Kristen Stewart) hat sich verfahren und musste eine Vogelscheuche von ihrer alten Jacke befreien. Seltsam verläuft der Rest des Tages. Von dem militärischen Zeremonienmeister Major Gregory (Timothy Spall), der alle bei Ankunft wiegen will, weil es so Tradition ist. Bis zur schwer erträglichen Kälte im Schloss. Nicht das spürbare emotionale Frösteln ist gemeint, sondern die ganz konkrete Folge der sparsamen Royals. Während die Abfolge von Kleidern für jeden Zeitpunkt des Tages ignoriert wird, sprengt Diana auch und vor allem die Speisefolge: Als bekannte Bulimikerin würgt sie zuerst das Menü runter und dann wieder raus. Umso höhnischer wirkt das Wiege-Ritual auf sie.

Die Vorhänge werden zugenäht, nachdem Diana diese einige Male beim Umziehen nicht geschlossen hatte, zur Freude der Paparazzi. Die Antwort des Rebellen in teuren Kleidchen: „Jetzt lassen Sie mich bitte alleine. Ich will masturbieren.“ Ganz und gar ist Diana allerdings für ihre beiden Söhne da, die sie vor Kälte und Härte des Königshauses zu bewahren sucht. Vor allem die Sorge um William (Jack Nielen), dem Charles (Jack Farthing) das Schießen beibringen will, und um die Fasanen, die er schießen soll, eskaliert.

Das ganze, nicht nur im Boulevard verhandelte Drama um eine tragische Prinzessin (ohne Disney-Beteiligung) komprimiert Pablo Larraín mit Autor Steven Knight in einigen psychotischen Weihnachtstagen auf dem Windsor-Schloss. Die Verzweiflung der im Golden Käfig gefangenen Diana nimmt dabei wahnsinnige Züge an. Nachdem ihr der mit sadistischer Härte agierende und beängstigend skurrile Wachhund Gregory („I watch and make sure that nobody sees“) ein Buch über Anne Boleyn aufs Bett gelegt hatte, erscheint ihr sogar deren Geist (Amy Manson).

Kristen Stewart („Breaking Dawn“-Trilogie, „3 Engel für Charlie“) pendelt zwischen ihren eigenen Manierismen und denen der Mensch gewordenen „Candle in the Wind“, Diana. Major Gregory ist eine grandiose Rolle für Timothy Spall („Mr. Turner“, „Harry Potter“), und Sally Hawkins („Happy Go Lucky“, „Shape of Water“, „Paddington“) berührt als einzig vertrauenswürdige Kammerzofe.

Wenn die Prinzessin über das Personal charakterisiert wird und am Ende ganz bürgerlich beim Drive-In Pommes bestellt, wird die royale Sache mit dem eher sozialistisch denkenden Regisseur wieder rund. Diese Prämisse ist zwar gründlich naiv, aber „Spencer“ sieht die fiktive Diana Larraíns als Mittelklasse-Mensch, der an der Aristokratie verzweifelt.

Beim Dreh von „Spencer“ wollte die BBC nicht mitmachen, deshalb musste er im deutschen „Exil“ stattfinden. Die Berliner „Komplizen Film“ von unter anderem Maren Ade („Toni Erdmann“, „Alle anderen“) produzierte, die Filmstiftung NRW förderte. Schloss Nordkirchen in Nordrhein-Westfalen war so eines des Schloss-Doubles für das Original in Norfolk.


Ein FILMtabs.de Artikel