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Drive my Car

Japan 2021 Regie: Ryûsuke Hamaguchi, mit Hidetoshi Nishijima, Toko Miura, Reika Kirishima, 179 Min., FSK: ab 12

Eine der für die Popularität des japanischen Autors Murakami seltenen Verfilmungen macht alles richtig, weil Regisseur und Drehbuchautor Ryûsuke Hamaguchi weniger dem Text als „dem Gefühl, das er beim Lesen hatte“, gefolgt ist. Eine gleichermaßen freie wie vertraute Verfilmung um die Themen Untreue und Trauer. Murakami angereichert mit etwas Tschechow.

Der bekannte Theater-Regisseur und -Akteur Kafuku (Hidetoshi Nishijima) bereitet eine Vorführung von Tschechows „Onkel Wanja“ vor, während seine Frau Oto (Reika Kirishima), eine TV-Autorin, ihn betrügt. Bevor es zur Klärung kommt, stirbt sie plötzlich. Zwei Jahre später – nach 40 Minuten kommen endlich die Filmtitel – ist Kafuku auf dem Weg nach Hiroshima zu einer Gast-Regie. Doch hier darf der passionierte Autofahrer, der immer „auf der Straße“ seine Texte lernt, wegen eines Unfalls einer seiner Vorgänger nicht selbst ans Lenkrad. Das Theater hat Misaki Watari für ihn engagiert. Tôko Miura wirkt in dieser Rolle, wie Murakami sie beschrieb: Unscheinbar, keineswegs attraktiv, schweigsam, wenn nicht gar derb und mit großen Augen aufmerksam blickend. Bevor es allerdings nach einer weiteren Stunde Filmzeit zur wortarmen Aussprache der beiden Trauernden kommt, entdeckt Kafuku im zu jungen Darsteller des Wanja, in dem gestürzten TV-Star, den vermeintlichen Liebhaber seiner Frau. Eine seltsame Situation, die der Film ausführlich und reizvoll auskostet.

Die hoffnungslose Stimmung von „Onkel Wanja“ passt zu der Kafukus, dessen Namen im Japanischen übrigens Kafka ähnelt: Murakamis „Kafka am Strand“ (jap. 海辺のカフ) heißt transkribiert „Umibe no Kafuka“. Tatsächlich nicht einfach, was Kafuku widerfährt: Er sieht, wie seine Frau fremdgeht, hat einen Autounfall, ein Glaukom im Auge wird entdeckt, schon vorher ist seine kleine Tochter gestorben, und dann stirbt auch die Frau am Gehirntumor, bevor sie sich ausgesprochen haben.

Bekannt sind bislang drei größere Murakami-Verfilmungen: Die koreanische Adaption „Burning”, die Modegeschichte „Tony Takitani“, das trübsinnige Beatles-Cover „Norwegian Wood“ und von Carlos Cuarón der Kurzfilm „The Second Bakery Attack“ mit Kirsten Dunst.

Die Geschichte der besonders erotischen Art Otos, Drehbücher zu schreiben, wurde übernommen aus „Scheherazade“, einer anderen Kurzgeschichte Murakamis aus dem gleichen Sammelband „Männer ohne Frauen“. Tatsächlich hat diese einzigartige und ruhig bewegende Geschichte um Schicksale viele typische Murakami-Motive: Der betrogene Mann, die lange Fahrt woanders hin (das gelbe Saab-Cabrio ist im Film rote Limousine), das dunkle Geheimnis. Der Film „Drive my Car“ schenkt bei tollem Schauspiel und gekonnter Inszenierung viel Zeit einer sehr gelungenen Adaption. Der Drehbuchpreis in Cannes 2021 war erste Belohnung.


Ein FILMtabs.de Artikel