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House of Gucci

Kanada, USA 2021, Regie: Ridley Scott, mit Lady Gaga, Adam Driver, Al Pacino, 158 Min. FSK: ab 12

So wie die Marke Gucci eher durch dreiste Kopien vom Flohmarkt mit absurd großen Logos bekannt ist, so kopiert Ridley Scott hier wahres Leben einer „wahren Geschichte“ über den Intrigen-Stadl der Familie Gucci. Dankenswerterweise regen sich alle noch lebenden Beteiligten im Dienste der Werbung groß auf. „House of Gucci“ lässt nur über grelle Verzerrungen und zugegeben klasse Schauspiel-Nummern staunen.

Auch wenn die wahre Patrizia Reggiani sich über ihre Darstellung durch Lady Gaga aufregt, es ist eigentlich nett und sympathisch, wie die junge Tochter eines Bauunternehmers 1970 hinter diesen linkischen Anwalt mit der zeitlos zu großen Brille her ist. Dass es sich um Maurizio Gucci (Adam Driver), Mode-Millionär in dritter Generation, handelt, erfährt sie erst später. Maurizio ist glücklich in dieser Liebes-Beziehung, heiratet Patrizia sogar gegen den Rat seines elitären Vaters Rodolfo (Jeremy Irons). Der schmeißt den Junior darauf raus und erst das Werben vom geschäftstüchtigen Onkel Aldo (Al Pacino) bringt ihn wieder zurück in den Familienbetrieb. Der, enttäuscht von seinem erschreckend dämlichen Sohn Paolo (Jared Leto), lädt Patrizia und den Neffen nach New York ein, zeigt ihnen die Ursprünge von Gucci in Kuhhäuten und Lederwaren. Das Umwerben mit Charme und Geschenken hat einen finanziellen Hintergrund: Sattlermeister Guccio Gucci vererbte sein 1921 gegründetes Unternehmen an beide überlebenden Söhne zu gleichen Teilen. Wer also die Macht im Familien-Konzern haben will, braucht Anteile der anderen Seite. Etwas, das den naiven Maurizio nie interessierte, Patrizia umso mehr.

Es hat was von einer auf den Laufsteg verpflanzten Lady Macbeth, wie Patrizia Reggiani den Laden Gucci übernimmt. Ihr erstes Kind ist Rückfahrticket in die Arme des todkranken Schwiegerpapas Rodolfo. Nach dessen Ableben fehlt eine Unterschrift, um millionenschwere Erbschaftssteuer zu umschiffen. Doch schon in Papas Firma fälschte Patrizia Signaturen, während der fremdging. Dreist und eigenwillig umgarnt sie Paolo mit dessen unsäglichen Mode-Entwürfen. Als sie endlich am Ziel – und Aldo im Knast – ist, verlässt sie der eitle Macho Maurizio für eine andere. Er gewinnt alles, um Gucci danach mit seinem exorbitanten Luxusleben fast zugrunde zu richten. Nur der Verkauf aller Familien-Anteile an einen Investor rettet Gucci, das gerade durch Chef-Designer Tom Ford wieder interessant wird. Die Kugel gibt Maurizio letztlich Patrizia 1995 durch ein paar schäbige Auftragskiller, vermittelt von einer schrillen Hellseherin (Salma Hayek). Nach Verbüßung einer Haftstrafe wird die ehemalige Frau Gucci nun durch diese Verfilmung bestraft.

Schon in der ganzen, geschickt schillernden Werbekampagne versprach „House of Gucci“ mehr Schein als Sein. Diesen neuen Ridley Scott („Der Marsianer“, „Gladiator“, „Blade Runner“, „Alien“) kann man nur ironisch gedacht einigermaßen ertragen. Oder als Bewerbungs-Video wahrlich großartig aufspielender Stars. Die Skandal-Geschichte ist ein teurer, wenn auch nicht unbedingt geschmackvoll ausgestatteter Intrigen-Stadl mit ebenso stylischen Musik-Einsätzen. Das Drama der schlimmsten Mode aus 70er, 80er und 90ern dauert länger, als normale Filme sind, bis es beim ersten Ehestreit in einer Szene mal richtig spannend wird. Bis dahin ist „House“ eine Aneinanderreihung von Momenten.

Lady Gaga spielt wie schon in „A Star is born“ einfach großartig und völlig glaubhaft. Adam Driver („Marriage Story“, „BlacKkKlansman“) ist mit diesem hüftsteifen Idioten Maurizio nicht sehr gefordert – nur die Kälte des Verrats zeigt sich fein ziseliert im Gesicht. Scott fasst die letzten Jahre, den Niedergang des Hauses Gucci, den Erfolg von Tom Ford, den Verkauf der Anteile und den Tod Maurizios in einer Sequenz zusammen. Das könnte wie Aschenbachs Abgang in Tod und Venedig sein, wäre Maurizio nicht wie alle anderen nur eine Anziehpuppe. Paolo ist, von Jared Leto mit dicker Latex-Maske gegeben, eher Clown statt Widersacher. Pacino gibt seinem hyperaktiven Affen Aldo wieder reichlich Zucker. Doch es hilft alles nichts. Am Ende bleibt nur die Frage, ob Lady Gaga bei den Oscars Gucci tragen wird.


Ein FILMtabs.de Artikel