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Possessor

CDN/GB 2020 Regie: Brandon Cronenberg mit Andrea Riseborough, Christopher Abbott, Jennifer Jason Leigh, 103 Min.

Dass Brandon Cronenberg die Gene seines Vaters in sich trägt, wird gleich in der ersten Einstellung offensichtlich. In der steckt sich die junge Holly (Gabrielle Graham) einen Metallstab in den Kopf. Mit einem kleinen Gerät regelt sie ihre Emotionen, lacht oder weint in den Spiegel, bevor sie den Toilettenraum verlässt und in den Ballsaal tritt, wo sie einem feisten Partygast ein Messer in die Kehle rammt, eine mitgeführte Waffe auf sich selbst richtet und die Worte „holt mich raus“ spricht. Abdrücken wird sie nicht, das erledigen die Polizisten. Doch als die Frau im Kugelhagel stirbt, erwacht andernorts eine andere. Tasya Vos (Andreas Riseborough) betritt den Körper ausgewählter Wirte. Die Wahl trifft eine mysteriöse Organisation, zu der ihre Ausbilderin Girder (Jennifer Jason Leigh) gehört. Die Interessen sind machtgetrieben und monetär. Doch der Wechsel der Identitäten hinterlässt tiefe Spuren bei Tasya und sie wird zunehmend unberechenbarer.
Die Vorliebe für körperlichen Horror teilt Brandon Cronenberg eindeutig mit seinem Vater David. Doch anders als beispielsweise in „Existenz“ ist der virtuelle Wechsel der Identitäten deutlich ausgeklügelter und berechnet. Auch „Possessor“ ist stellenweise blutig und Cronenberg treibt seinen Plot gnadenlos voran. Aber der Sohn hat seine Vorbilder eindeutig im psychischen Horror britischer Prägung. Das konstante Unbehagen wird durch die experimentelle Bildsprache gefördert. Die Protagonistin sehnt sich nach einem normalen Leben mit ihrem Sohn. Andererseits will sie beweisen, dass sie ihrem Job gewachsen ist und verliert zunehmen die Kontrolle über ihren Wirt. Für den Betrachter verschwimmen die Grenzen des Mitgefühls und zurück bleibt ein Gefühl des Grauens – und die Gewissheit einen der außergewöhnlichsten Genrebeiträge der letzten Jahre gesehen zu haben.


Ein FILMtabs.de Artikel