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Minari – Wo wir Wurzeln schlagen

USA 2020 (Minari) Regie: Lee Isaac Chung, mit Steven Yeun, Alan Kim, Ye-Ri Han, 116 Min. FSK ab 6

Wie eine Familie koreanischer Herkunft 1983 versucht, im ländlichen Arkansas Wurzeln zu schlagen, wirkt nur auf den ersten Blick wie eine einfache, bekannte Geschichte. Regisseur und Drehbuch-Autor Lee Isaac Chung machte aus autobiografischen Erlebnissen einen der gefeierten Erfolgsfilme des letzten Jahres.

Die Kinder staunen und die Frau ist sauer, als Jacob (Steven Yeun) ihnen einen großen Wohnwagen mitten auf einsamer Wiese als neues Heim präsentiert. Sie kommen aus Los Angeles in die Provinz. Schon dort arbeiteten die Eltern Jacob und Monica (Yeri Han) in einer Geflügelfarm, um das Geschlecht von Küken zu bestimmen. Dunkler Rauch aus einem Schlot macht nebenbei das Schicksal der unproduktiven Männlein klar. Während Jacob sensationell rasant das Geschlecht der kleinen gelben Wollknäuel erkennen kann, war Monica für LA zu langsam. Hier in Arkansas reicht es, wie eine ebenfalls koreanische Kollegin meint.

Doch es geht nicht nur um ein besseres Leben durch mehr Gehalt. Zumindest Jacob träumt von mehr als einem Garten: Er will aus der Wiese eine Farm für koreanisches Gemüse machen, um das sich die vielen Einwanderer reißen sollten. Weil dies wohl nicht das erste Traumschloss des Mannes ist, kriselt es deutlich in der Ehe. Dass der kleine David (Alan Kim) schwere gesundheitliche Probleme hat, ahnt man schnell beim dauernden Rufen „Renn nicht!“ Zudem stehen unterschiedliche Ansichten über Familie und Religion zwischen dem Paar.

Der Deal, dass Jacob seine Farm bekommt, wenn die Schwiegermutter als Babysitter aus Korea anreisen darf, bringt mit der schlagfertigen und lebenslustigen Großmutter Soon-ja (Yuh-Jung Youn) viel Witz und später Emotionen in den Film. Denn sie ist so gar nicht Oma, zockt lieber Karten mit den beiden Enkeln oder begeistert sich für Wrestling-Shows im Fernsehen. Tragikomisch wird sie immer wieder das Familienleben auf den Kopf stellen.

Großartig auch die Nebenrolle Bill Paxtons, der als unerlässlicher Helfer Jacobs die Farm am Laufen hält, aber auch als extremistischer Christ mit dauernden Gebeten und Teufelsaustreibungen für Kopfschütteln sorgt. Vor allem, wie er jeden Sonntag ein großes Kreuz über die staubigen Straßen schleift, ist die Krönung einer religiös verbrämten Gesellschaft, auch bei den koreanischen Einwanderern. Regisseur Lee Isaac Chung kennt dieses Milieu aus der eigenen Kindheit unter Immigranten in Arkansas. Der Witz in diesem scheinbar sozialen Drama von Chung liegt darin, dass die koreanische Familie deutlich die Siedlergeschichten Nord-Amerikas wiederholt. Ein Stück Land zu eigen machen, einen Brunnen graben, sähen, pflanzen, ernten, das Glück finden. Dabei wird – ironischerweise zu Zeiten des Cowboy-Darstellers und Präsidenten Ronald Reagan – die Siedlungsrichtung „Go West“ umgekehrt: Aus dem Westen kommen die Koreaner in Kalifornien an, nach Osten geht es weiter.

„Minari“ begeistert mit genauer Zeichnung und viel Sympathie für die Figuren. So kommen einem die Fremden in einer fremden Welt sehr nahe und berühren tief. Grandios wird diese Suche nach dem Glück vor allem von „Walking Dead“-Star Steven Yeun („Burning“) als engagiertem Familienvater Jacob verkörpert. Im Breitwandformat von Kameramann Lachlan Milne lässt sich die Sehnsucht nach freiem Land intensiv mitfühlen. Die koreanische Schauspielerin Yuh-Jung Youn erhielt bei der Oscar-Verleihung die Auszeichnung als „Beste Nebendarstellerin“. „Minari“ selbst wurde dieses Jahr mit einem Golden Globe in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ ausgezeichnet. Außerdem gewann der von Brad Pitt koproduzierte Film beim Sundance Film Festival 2020 sowohl den Großen Preis der Jury, als auch den Publikumspreis.


Ein FILMtabs.de Artikel