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The Midnight Sky / Netflix

Drei Wochen nach dem „Ereignis“ lebt nur noch ein Mensch auf der Erde: Ein alter kranker Mann in einer polaren Forschungsstation. Es ist das Jahr 2048. Die Luft ist weltweit verseucht, nur an ein paar Orten können Mensch und Tier überleben. Die Evakuation der Bevölkerung ins All ist abgeschlossen. Der Mann, dem man diese Möglichkeit verdankt, wollte nicht mit: Der bärtige Senior Augustine Lofthouse (George Clooney) hängt an der Flasche und an der Nadel einer Dialyse. Erinnerungen an eine tragische Liebesgeschichte vermischen sich mit Alkohol und Fieberwahn. Da taucht ein mysteriöses stummes Mädchen auf der Station auf. Gleichzeitig ist das Raumschiff Aether ahnungslos im Anflug. Nach einer Jupiter-Mission weiß die Besatzung nichts von der Katastrophe auf der Erde. Sie können nicht nach Hause telefonieren, weil von dort keiner mehr antwortet. Bis Lofthouse sie hört…

Der alte Wissenschaftler Lofthouse ist kein typischer Held, aber er probiert trotzdem, die Aether-Besatzung zu retten. Dafür muss er mit dem kleinen Mädchen zu einer entfernten Funkstation. Gleichzeitig zwingt ein Unfall das Raumschiff auf einen Ausweichkurs durch nicht kartierte Gebiete des Weltalls. Unten wüten Schneestürme, oben drohen Meteoriten-Hagel. Die Erhabenheit intergalaktischer Reisen konkurriert mit polaren Naturspektakeln. Zwei abenteuerliche Trips in unterschiedlichen Dimensionen, doch bei beiden geht es um das Überleben der nächsten Generationen.

Die Verfilmung von Lily Brooks-Daltons Science-Fiction-Roman „Good Morning, Midnight“ ist nach Meisterwerken wie „Good Night, and Good Luck“, „The Ides of March“ oder „Suburbicon“ die siebte Regie-Arbeit von George Clooney. Schon die Idee, sich mal nicht krampfhaft jünger zu machen, verdient Applaus. Er kann auch eindrucksvoll Science Fiction, hat reichlich Erfahrung da oben: In Alfonso Cuaróns „Gravity“ trudelte er 2013 mit Sandra Bullock im All rum. Im „Solaris“-Remake von Steven Soderbergh spielte Clooney 2002 die menschliche Hauptrolle, die an einer gescheiterten Beziehung oder am hinterhältigen Planeten wahnsinnig wurde.

Doch wie immer geht es dem filmenden Gatten der Menschenrechtsaktivistin Amal Ramzi Alamuddin Clooney um mehr. Um die Lage der Menschheit und der Erde. „Ich befürchte, wir haben nicht anständig auf die Erde aufgepasst, während ihr weg wart“, muss Lofthouse der anfliegenden Crew gestehen. Das volle Spannungs-Programm mit Meteoritenschauer und hungrigen Wölfen in der Eiswüste unterbricht starke ruhige Stimmungen zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Dazu ein paar geniale Bilder und Szenen wie das gemeinsame Singen von Neil Diamonds „Sweet Caroline“ bei einer Außenreparatur. Zur schwangeren Astronautin wird der Querverweis zu „Alien 3“ nahegelegt. Es beeindruckt die Ästhetik von schön vielen Blutstropfen in Schwerelosigkeit.

Bei aller netten Ausstattung dreht sich „Midnight Sky“ nicht um Science Fiction-Gimmicks. Die Hauptfigur Lofthouse ist eindrucksvoll tragisch. Wie in Andrei Tarkowskis „Solaris“ nach Stanisław Lem führt der weite Weg ins All letztlich nur in Innere des Menschlichen. Der große Film, der auf dem kleinen Schirm gelandet ist, erzählt eine filmische Novelle mit großartiger Pointe, angefüllt von klasse Bildern und Szenen. Wie es sich für die Novelle gehört, brennt sich die tragische Schluss-Note ein. Nicht nur dass der Forscher, der Leben auf fernen Planeten vorantrieb, als einer der letzten auf der Erde zurückbleibt. Das Schicksal hält noch einen besonders bitteren Wermutstropfen für ihn bereit. Und bei all den fantastischen technischen Möglichkeiten der Zukunft wird klar, dass die Erde als Lebensraum ganz schön wichtig ist.

„The Midnight Sky“ (USA 2020), Regie: George Clooney, mit George Clooney, Felicity Jones, David Oyelowo, Tiffany Boone, 122 Min., FSK: ab 12


Ein FILMtabs.de Artikel