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Oeconomia

BRD 2020 Regie: Carmen Losmann, 89 Min. FSK ab 0

Wie funktioniert eigentlich dieser „Wachstum“, von dem die ganzen Wirtschafts-Junkies und -Jünger immer so begeistert reden? Wieso sind all diese großen Konzerne, die wir alle anbeten, so stolz auf ihre Gewinne? Und niemand fragt sich, wo das Geld für den allgegenwärtigen „Zugewinn“ eigentlich herkommt?

Es sind eigentlich einfache Fragen, welche die Interviewerin und Regisseurin Carmen Losmann stellt. Doch ausgerechnet bei den großen Machern des europäischen Währungssystems und den großen Profiteuren der Banken sieht man in „Oeconomia“ dabei hilflos verwirrte Gesichter. Besonders peinlich komisch ist der Belgier Peter Praet, Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, wenn er zu einer – für die dummen Zuschauer – besonders einfachen Erklärung ansetzt und sich hemmungslos im Unerklärlichen verheddert. In haufenweise Interviews, wenn sie denn überhaupt gegen eine dicke Abwehrmauer zustande kommen, gibt es immer wieder die gleiche entblößende Reaktion.

Denn die Sache ist eigentlich klar, auch wegen der vielen populären Stellungnahmen von Thomas Mayer, ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank und jetzt Warner vor einer „Hyper-Inflation“: Auf nationalem und europäischem Level wird hemmungslos Geld „geschöpft“, also gedruckt. Jeder Kredit jeder kleinen oder großen Bank vergibt kein Geld, dass irgendwo vorhanden oder abgesichert wäre. Es wird schlicht neu „gedruckt“.

Was Losmann dabei unter anderem durch einen Monopoly-Spieltisch in einer Fußgängerzone klar macht, ist dass nicht die „systemrelevanten“ Banken netterweise die Wirtschaft mit Krediten unterstützen. Es ist der propagierte Hyper-Konsum, der die nicht ganz so wichtigen Banken am Leben hält. „Und wer zahlt dafür?“ Die Folgen des ganzen Wachstums-Wahnsinn werden in „Oeconomia“ allerdings nur am Rande erwähnt: Die Kürzungen im Sozialen und die Umverteilung von Wohlstand von Unten nach Oben. Mit dem Schlusswort: Die Profite von heute sind die Schulden für morgen.

Nach ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm „Work Hard – Play Hard“ setzt Carmen Losmann ihre Recherche über unser – oder „deren“ – Wirtschaftssystem fort. Das Bild verfällt wie bei vielen ähnlich gelagerten Filmen der Faszination von Glas und Stahl, unterlegt von einer leicht unheimlichen Musik. Nur zwischendurch werden diese Bilder mal interessanter, wenn Putzfrauen und andere Menschen, die im Gegensatz zu den Bankern wirklich Mehrwert für die Gesellschaft erzeugen, ins glänzende Bild geraten. Insgesamt eine gelungene Erklärung eines Zustands, der über einen guten, nicht von Wachstums-Virus verseuchten Artikel ebenso gut vermittelt werden kann. Der atmosphärische oder ästhetische Mehrwert ist sehr gering.


Ein FILMtabs.de Artikel