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Mulan / Disney+

Emanzipiert sich Disney vom Kino?

USA 2020 Regie: Niki Caro, mit Yifei Liu, Donnie Yen, Jason Scott Lee, Yoson An, Gong Li, Jet Li 115 Min.

Die Realverfilmung von Disneys Animations-Original „Mulan“ sollte schon im März einer der zwei, drei ganz großen Filme des Jahres für die Mainstream-Kinos werden. Doch nach Corona sieht die Film-Welt ganz anders aus: Schon im April verschob Universal seinen Animationsfilm „Trolls World Tour“ ins Heimkino. Während Warner mit „Tenet“ zuletzt auch das Risiko halb voller Säle in nur einigen der großen Kino-Länder einging, zog auch Disney nun seinen größten Kinofilm des Jahres auf die Couch zurück. „Mulan“ ist ab Freitag in vielen Ländern für 21,99 Euro nur bei Disney+ zu sehen, ein Abonnement vorausgesetzt. Sicher mit dem Hintergedanken, so auch die eigene, noch recht frische Streaming-Plattform zu vermarkten. Das mögliche Kino-Erlebnis mit einem stellenweise großen Film schaut in die Röhre. Die Kino-Branche ebenso.

Mulan ist ein kleines, wildes chinesisches Mädchen, das bald verheiratet werden soll, um „die Familie zu ehren“. (Geld spielt aber meist auch eine Rolle bei diesen arrangierten Ehen.) Als der chinesische Kaiser (Jet Li) in diesem 5. Jahrhundert allerdings vom Eroberer Bori Khan (Jason Scott Lee) bedroht wird, folgt Mulan als Mann verkleidet heimlich der Einberufung ihres invaliden Vaters. Die übliche lange und langweilige Militärausbildung bringt etwas Komik, wenn die dicken und dummen Jungs im Gegensatz zu Mulan meist versagen, dazu den Sexismus der Soldaten aber vor allem eine Erkenntnis: Es ist wie auch sonst im Berufsleben für eine Frau – sie muss immer viel besser sein als der entsprechende Mann.

Als die teilweise faszinierend inszenierten Schwertkämpfe ist Stil der modernen asiatischen Martial Arts-Choreographien endlich starten, ist es eine der großen Wendungen von „Mulan“, dass sie sich entschließt, als Frau zu kämpfen. Sie rettet die Hälfte ihrer Truppe, hat aber nach dem „Coming Out“ trotzdem „Schande über das Regiment gebracht“. So ist die spannendere Auseinandersetzung die mit Xian Lang (Gong Li), einer anderen starken Frau, die wegen der gläsernen Decke auf der dunklen Seite wechselte. Sie kämpft nun als Zauberin, die sich in einen Greifvogel verwandelt, auf der Seite von Bori Khan. Das sorgt für viele eindrucksvolle Effekte eines nicht mehr kindgerechten Action- und Kampf-Films. Die Freigabe liegt bei 12 Jahren.

Die comic-haft „chinesischen“ Nebenrollen und das fast schon klassische Ikon von Mulans Spiegelung in der eigenen Schwertklinge erinnern noch am meisten an das Zeichentrick-Original aus dem Jahr 1998. Das Real-Remake lag in den Händen von Niki Caro, einer Regisseurin für Frauenfilme wie „Whale Rider“ (2002) oder „Kaltes Land“ (North Country, 2005). Es entstand keine Würdigung des älteren Zeichentricks, sondern ein Martial Arts-Drama, das in den besten Momenten Meisterwerken wie „Tiger & Dragon“ ebenbürtig wirkt, und ein starkes Emanzipations-Stück, was nur für die besten der Disney-Prinzessinnen gilt. Dass das „Mädchen, das die Dynastie rettet“, dabei ein Einheits-Regime gegen die Angriffe einer farbigen Peripherie verteidigt, macht die Sache mit Gender, Rasse und so weiter etwas weniger einfach heldenhaft.

Ästhetisch oft überstilisiert mit verwaschenem Hintergrund und Zentrum im Fokus. Mittendrin mit einem der wenigen „edlen“ Gesichtern des Films die Heldin Mulan in ihrem roten Umhang unter schwarzem Haar – das hätte auch Leni Riefenstahl gefallen. Dazu weite Landschaften und großartige Szenerien, wunderbare Kostüme und faszinierende Tricks für die große Leinwand. Die sieht „Mulan“ allerdings nur in Kroatien, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Türkei oder Thailand. Ansonsten bei Disney+, was in diesem Fall ein Minus ist.

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„Mulan“ erscheint am 4. September in Deutschland als „Premium-VoD“ oder „VIP-Zugang“ beim Streaming-Dienst Disney+. Zusätzlich zum monatlichen Abo-Preis muss 21,99 Euro für den Kauf-Titel bezahlt werden.


Ein FILMtabs.de Artikel