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Der Glanz der Unsichtbaren

Frankreich 2018 (Les Invisibles) Regie: Louis-Julien Petit, mit Audrey Lamy (Audrey) · Corinne Masiero, Noémie Lvovsky, Déborah Lukumuena 102 Min. FSK ab 6

Wenn Städte mit Metallbügeln auf Parkbänken und zackigen Dekorationen in Fensternischen Obdachlosen die letzten Ruheplätze wegnehmen, kann man auch vermuten, dass öffentliche Auffangeinrichtungen nur halbherzig betrieben werden. So ist das Zentrum für wohnungslose Frauen „L’Envol“ in einer nordfranzösischen Stadt zwar beliebt, aber allein tagsüber geöffnet. Hier drängen sich Lady Di, Edith Piaf, Salma Hayek und Brigitte Macron zum Waschen, Aufwärmen und Ausruhen. Denn so nennen sich die wohnungslosen Frauen selber. Mit viel Wut, Ärger aber auch Lust und Laune probieren hier die Betreuerinnen und die Gäste, über die Runden zu kommen. Als die Stadt noch weiter sparen will, nehmen die Frauen die Sache selbst in die Hand und starten ohne Wissen der Ämter auch ein Nachtasyl. Zusätzlich holen sie mit Selbsthilfe-Gruppen, eigener Fortbildung und Berufsberatung das Beste aus sich raus. „Sisters are doing it for themselfs“ schallt Laune machend durch den tollen Film.

Mit wunderbaren Figuren und obdachlosen Frauen, die sich selbst spielen, stellt „Der Glanz der Unsichtbaren“ der neoliberalen Kälte von „Fordern und Fördern“ ein herzerwärmendes, fröhliches und berührendes Sozial-Märchen entgegen. Sowohl die Sozialarbeiterinnen mit ihren privaten Problemen als auch die Menschen am Rande der bürgerlichen Existenz sind so echt und glaubhaft wie selten im Kino.

Wie die geniale aber auch verschrobene Monteurin ihre Fähigkeiten aus dem Knast an allen möglichen Geräten anwendet, wie die doch ziemlich männliche Domina ihre Qualitäten einsetzt, das ist alles großes Menschen-Kino im Stile von Ken Loach. Aber es wird mit einer richtig schwierigen Klientin auch ernst und überhaupt ist „Der Glanz der Unsichtbaren“ nie eine dieser Klamotten, welche die Situation der Porträtieren zu leicht überspielen. Eine wunderbare Montage, in der die Frauen per Dias mit ihren Vorbildern und Familien verschmelzen, geht poetisch besonders ans Herz. Regisseur und Ko-Autor Louis-Julien Petit („Rechenschaft“) sollte man sich für bestes sozial engagiertes Kino merken.

Diese richtig gute Zeit von „Der Glanz der Unsichtbaren“ kann leider auch nur ein Märchen sein, die Instanzen greifen irgendwann wieder ein. Aber die nicht mehr unsichtbaren Frauen verlassen ihr Ressort nun stolz und unheimlich elegant.


Ein FILMtabs.de Artikel