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High Life

Frankreich, BRD, Polen, USA 2018 Regie: Claire Denis, mit Robert Pattinson, Juliette Binoche, André Benjamin, Lars Eidinger 113 Min.

Lost in Space zwischen „Solaris“ und „Silent Running“ – so hätte der neue Film von Claire Denis im besten Fall werden können. Wenn Sie das jetzt alles nur verwirrt, ist das exakt das irre Film-Gefühl vom ziellos driftenden Science Fiction „High Life“.

Claire Denis hat einige sehr, sehr bemerkenswerte Film inszeniert: „Nénette et Boni“ (1996) mit der großartigen Valeria Bruni-Tedeschi als Bäckersfrau, „Trouble Every Day“ (2001), der extrem leidenschaftliche Vampirfilm mit der genialen Musik von Tindersticks (auch diesmal dabei), „White Material“ (2009), „35 Rum“ (2008) und zuletzt – wesentlich schwächer – „Meine schöne innere Sonne“ (2017) mit Binoche und Depardieu.

Nun hebt die französische Regisseurin mit ihrem ersten englisch-sprachigen Projekt ab: Sie schickt Robert Pattinson und Juliette Binoche mit einer klapprigen Raumfahrt-Kiste ohne jeglichen Science-Fiction-Glanz in den Weltraum. Beziehungsweise sie platziert ihre Figuren trotz annähernder Lichtgeschwindigkeit in recht stationäre Zustände vor einem eindrucksvollen Schwarzen Loch.

Das Raumfahrzeug in Schuhkarton-Form mit der Nummer 7 beherbergte einst ein paar verurteilte Schwerverbrecher und die wahnsinnige Reproduktionswissenschaftlerin Dibs (Juliette Binoche). Regelmäßige Sperma-Spenden, künstliche Befruchtungen und abstruse Masturbations-Kammern dienten alle dem Experiment, im Weltall Kinder zu zeugen. Lange Jahre vergebens. Gleichzeitig zeigt der Film ein Nachher, in dem Monte (Robert Pattinson) alleine mit seiner Tochter Willow (Jessie Ross) an Bord des noch mehr verfallenden Raumschiffs lebt.

So weit, so verständlich. Formal ist „High Life“ mit seinem Mix aus Erinnerungen und Impressionen fast Terrence Malick. Also mehr Stimmungen als Handlung. Nett ist das Babyphone der Zukunft, wenn Pattinson draußen Raumkapsel repariert, während sein Baby drinnen schreit. Ziemlich verrückt ist die sehr übertrieben sexy Wissenschafterin, auch wenn hier die wunderbare Körperlichkeit aufblitzt, die viele Filme von Claire Denis bestimmt. Im bitteren Widerspruch zur lange vergeblichen Reproduktion steht die extrem sexuell geschwängerte Luft. Aber statt sich unter Laborbedingungen zu vermehren, sterben die Fluggäste wie die Fliegen. Durch Strahlung oder Gewaltausbrüche. Mit Outcast-Sänger André Benjamin, Mia Goth, Lars Eidinger, Claire Tran und Agata Buzek gibt es interessante Darsteller für die Nebenrollen – Format gewinnen diese Figuren trotzdem nicht. Aus der Sicht von Fans ist dieser Pattinson-Film ohne Biss ein weiteres Kunstkino-Experiment nach Cronenbergs „Cosmopolis“ (2012) und „Life“ von Anton Corebijn (2015). In „High Life“ hat er bei aller Unverträglichkeit mit anspruchsvollem Kunstfilm viele „Oh wie süß“-Szenen mit (s)einem Baby.

Nicht nur weil ein paar irre Figuren in der Kiste mitfliegen, ist „High Life“ ein ziemlich irrer Film. Man könnte auch sagen, schwer verständlich. Irgendwie verschlingt der Film über die Erkundung eines – faszinierend gestalteten – Schwarzen Lochs selbst viel Bedeutung und Sinn. Hat der Hund aus Montes Kindheit vielleicht etwas mit Tarkowskijs berühmtem Film-Schäferhund aus „Nostalghia“ zu tun? Es ist ja auch irgendwie – wieder Tarkowskijs – „Solaris“, wenn am Ende der nächste Raumkarton (Nr. 9) voller verwilderter Hund andogt, sorry: andockt. Aber war nicht Science Fiction mal gedacht, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen? Dieser Film dringt jedenfalls in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.


Ein FILMtabs.de Artikel