« | Home | »

Vorhang auf für Cyrano

Frankreich 2019 (Edmond) Regie: Alexis Michalik, Thomas Solivérès, Olivier Gourmet, Mathilde Seigner 113 Min. FSK ab 0

„Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand ist das meist gespielte Theaterstück Frankreichs, die gleichnamige Verfilmung mit Depardieu war ein Kinohit und der Stoff überlebte kürzlich sogar Jugendkultur in „Das schönste Mädchen der Welt“. Nun hat „Vorhang auf für Cyrano“, dieses witzige, geistreiche, sympathische, flotte, hervorragend inszenierte und gespielte Meisterwerk über die Entstehung des Stücks, das Zeug zum kongenialen Nachfolger.

Die Balkonszene ist ein Klassiker: Der Poet mit der großen Nase souffliert unten unerkannt dem hübschen Einfallspinsel, um oben die gemeinsam angebetete Roxane mit wunderschönen Worten zu umgarnen. Im Paris des Jahres 1897 ist es Edmond Rostand (Thomas Solivérès), der unter dem Balkon den Ghostwriter gibt. Der Bühnenautor leidet nach seinem letzten Flop unter bedrohlicher Schreibblockade. Aber in diesem Moment unter dem Balkon, als Edmond seinen stürmischen Freund Léo Volny (Tom Leeb) bremst und die richtigen Worte findet, ist auch die Idee für ein neues Stück da. Bald wird Constant Coquelin (genial: Olivier Gourmet) begeistert, einer der größten, aber leider in Ungnade gefallenen Komödianten seiner Zeit. Der mietet ein Theater, besorgt Mäzene, die ihre ältere Mätresse als Hauptdarstellerin mitbringen, und kündigt eine Premiere in drei Wochen an. Nur hat Edmond noch kein Wort geschrieben…

Wie Edmond Rostand zur Inspiration nun einen intensiven romantischen Briefwechsel mit Léos Garderobiere beginnt, der sein Familienglück bedroht, wie die Eitelkeiten der Theatertruppe und Probleme der Finanzierung die Uraufführung bedrohen, ist in diesem Film ein rasantes, herzlich komisches Vergnügen.

Regisseur und Drehbuchautor Alexis Michalik brachte „Edmond“ (so der Originaltitel) 2016 auf die Bühne. Vorbild war ihm der erfolgreiche Film „Shakespeare in Love“ von John Madden. In beiden „Biografien“ eines Erfolgs-Stücks durchdringen sich Entstehungsgeschichte und das eigentliche Werk. Da vermischen sich auch hier historische Fakten zu Edmond Rostand (1868-1918) mit frei erfundenen Momenten, die umso schöner sind. Während der Autor im Foyer eines Bordells darauf wartet, dass die Entjungferung die Qualitäten eines unfähigen Darstellers entdeckt, sitzt dort zum Beispiel auch Tschechow. Dass nach „Tschechow“ ein „Gesundheit“ folgt, gehört zu den einfacheren Scherzen, die man verzeiht wie die Leiche unter der Bühne bei der Premiere. Denn den ganzen, ebenso elegant wie zügig inszenierten Film durchdringt eine wunderbare Herzlichkeit. Die allgemeine große Begeisterung für die Bühnen-Kunst verkraftet es locker, dass der Hauptdarsteller seinen unfähigen Sohn einsetzt.

„Vorhang auf für Cyrano“ ist nicht nur in den Hauptrollen grandios besetzt, auch die sehr schön lebendigen und menschlichen Nebenrollen wurden bis ins Kleinste hervorragend ausgefüllt. Die Finanziers sind Bordell-Besitzer, die ihren ehemaligen Star als Roxane sehen wollen, und leere Plätze in den Rängen mit aktuellem Personal besetzen. Und alle sprechen bald vor lauter Begeisterung wie das Bühnen-Ensemble in Versen. Was man bei diesem schönen Spaß in erlesenen Kostümen und Paris-Kulissen übersehen könnte, sind die tollen Bilder der Raum-Inszenierung (Kamera: Giovanni Fiore Coltellacci). Die raffinierte Verschränkung von Stoff und Entstehung setzt sich vor allem im Finale elegant im Wechsel von Bühne und Leben fort. Dieses Theater im Theater, das sich als Widerspiegelung des Lebens erweist, ist rundherum ein feiner und kluger Kino-Spaß.


Ein FILMtabs.de Artikel