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Vice
USA 2019 Regie: Adam McKay mit Christian Bale, Amy Adams, Steve Carell, Sam Rockwell 132 Min.
„Vize-Präsident, das ist doch der Mann, der rumsitzt und wartet, bis der Präsident stirbt.“ Eigentlich sind sich Lynne und Dick Cheney, eine Art us-amerikanisches Macbeth-Paar, einig. Diesen Job will der Hinterzimmer-Politiker Cheney nicht annehmen, nachdem er schon unter Nixon sowie Reagan gearbeitet hatte, und auch die Sympathien von Papa Bush genoss. Doch der alte Taktiker wittert seine Chance, als Bush Jr. Hilfe braucht. Wie man das politische System der USA von innen heraus aushebeln kann, hat Cheney schon Jahre vorher geplant.
Und so kommt 2001 mit den Anschlägen des 9/11 sein großer Moment. Zuerst ordnet er ohne Genehmigung des Präsidenten Bush das Abschießen von Passagier-Flugzeugen an. Dann startet auf seine Initiative der Überfall auf Afghanistan und später den Irak. Allein der letzte, auf einer Lüge („Massenvernichtungswaffen“) basierende Krieg, kostete 600.000 Menschen aus dem Irak das Leben. Zehntausende mehr starben durch den IS, laut „Vice“ eine direkte Folge der weltpolitischen Interventionen Cheneys.
Diese Karriere eines Massenmörders kommt nun keineswegs moralisch oder stockernst daher. „Vice“ erzählt Politik mit wilder Montage wie sein italienischer Seelenverwandter „Il Divo“, von Paolo Sorrentino über Giulio Andreotti, nur etwas weniger schrill. Hauptdarsteller Christian Bale scheint den Clip-Stil von seinem „American Psycho“ mitgebracht zu haben. Da springen Comics und die Jagd der Löwen aus einem Tierfilm ins Bild. Das Fliegenfischer-Hobby Cheneys ist nicht nur Anekdote, es beschreibt bestens den geduldigen Charakter des abwartenden Politikers. Und wunderbar seine Taktik, wenn er den jüngeren Bush am Haken hat und sich die Vize-Präsidentschaft sichert.
„Hab Acht auf den ruhigen Mann. Während andere sprechen, schweigt er. Während andere handeln, plant er. Und wenn sie endlich ruhig sind, schlägt er zu.“ So lautet eine passende Text-Einblendung zum schlechten Studenten und Sportler, der als opportunistischer Schleimer unter Vize-Präsident Donald Rumsfeld erst groß raus kommt. Hier ist die Frage des Praktikanten Cheney, woran wir denn eigentlich glauben würden, ein großer Lacherfolg bei Rumsfeld. Und vor der Tür von Nixon und Kissinger bekommt man ein schauerliches Bewusstsein von der mörderischen Macht über das Leben ganzer Dörfer und Länder, dass Cheney scheinbar sehr reizt.
Was „Vice“ mit allen seinen hervorragend gespielten, faszinierenden Charakterzeichnungen besonders spannend macht, ist die Rolle von Cheneys eiskalter Frau Lynne (Amy Adams) als treibende Kraft. Wenn Regisseur und Autor Adam McKay den Film mal wieder mit der eigenen, ungewöhnlichen Form spielen lässt und sagt, dass man eigentlich nicht weiß, was im Schlafzimmer der Cheneys besprochen wird, dann gibt es stattdessen deftigen Macbeth in Versen, die zukünftige Verschwörungen feiern. Und der Plan der Grauen Eminenz ist ebenso ruchlos: Er wartet Jahrzehnte auf die Lücke in der Verfassung, die ihn gegen alle demokratischen Prinzipien an die Macht lässt.
Das ist als keineswegs trockener Polit-Spielfilm zwar ein anderes Genre, arbeitet aber zusammen mit Michael Moore an der Analyse der Republikanischen Präsidentschaften. Der Unterschied liegt im personalisierten Schurken als Quell allen Übels, der jedoch wieder eine Blaupause für die Auflösung demokratischer Regeln durch Präsident Trump liefert.
In kurzen Momenten zeigt „Vice“ erschreckend, was diese Machtspielchen für Menschen in Korea oder dem Irak bedeuten. Zu diesen Menschen gehören auch die Täter, die US-Soldaten. Womit wir beim überraschenden Erzähler wärem, einem Soldaten, der … aber diese besonders zynische Fußnote der Geschichte soll nicht verraten werden. Sie wird aufgelöst in der menschelnden Schlusssequenz, die parallel zu Cheneys Herz-OP eine Montage seiner Herzlosigkeiten zeigt. Bis hin zum Opfer der eigenen lesbischen Tochter Mard für den konservativen politischen Erfolg der anderen, Liz.
Die Politik-Geschichte eines unscheinbaren Mannes, der hinter vier republikanischen Präsidenten zum Monster wird, macht Regisseur Adam McKay – basierend auf Bücher der Journalisten Jane Mayer und Barton Gellman – zur exzellent inszenierten und getimten Farce. Er bringt damit quasi seinen Banken-Krimi „The Big Short“ und die Medien-Absurdität „Der Anchorman“ zusammen. Bemerkenswert, unterhaltsam und nachdenklich machend.
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- Publiziert von:
- Günter H. Jekubzik, 15.02.2019 / 11:16
- Rubrik:
- Berlinale 2019, Kritiken GHJ
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