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Beautiful Boy

USA 2018 Regie: Felix van Groeningen, mit Steve Carell, Timothée Chalamet, Maura Tierney, Amy Ryan 121 Min. FSK ab 12

Vor zwei Wochen zeigte Julia Roberts in „Ben is back“, wie anstrengend und aufregend eine Nacht mit dem drogensüchtigen Sohn sein kann. Wenn der zuhause alte Rechnungen mit den Dealern begleichen muss. In „Beautiful Boy“ erzählt Felix van Groeningen, Regisseur des tränenreichen, wunderbaren „The Broken Circle“, das Eltern-Drama ganz anders. Mit mehr Gefühl und Filmkunst.

„Was macht Chrystal Meth mit meinem Sohn und wie kann ich ihm helfen?“ Mit dieser hilflosen Frage des Journalisten David Sheff (Steve Carell) beginnt der Film. Mittendrin und ohne Antwort. Denn in all den Momenten dieser eigentlich innigen Beziehung zwischen Vater und Sohn Nic (Timothée Chalamet) sucht der Film mehr nach dem Gefühl einer verzweifelten Situation als nach Antworten. „Beautiful Boy“ spielt auf John Lennons Song für seinen Sohn an, der selbstverständlich auch angespielt wird.

Die Kindheit Nics taucht auf Fotos auf, man versteht sich, redet miteinander. Zu den Momenten der gemeinsamen Vergangenheit gehört auch gemeinsames Kiffen, zu dem der Sohn den Vater überredet. Der erfolgreiche Vater setzt Nic sanft aber doch unter Druck, seine Kreativität auszuleben. Beim Surfen zeigt sich, dass er ihm zu wenig zutraut. Nach der Trennung der Eltern, ist die Mutter nie da. Nic wird hin und her geschickt. Aber „Beautiful Boy“ versucht niemals krampfhaft, Erklärungen zu finden.

Irgendwann tauchen düstere Zeichnungen bei Nic auf. Als die Sucht offensichtlich wird, ist sie schon Jahre alt. Der Grund sei einfach das Leben, meint der stille, kluge Junge. Eine teure Entziehungsklinik hilft nur kurzzeitig. Der „Circle“ geht diesmal spiralförmig abwärts. Nicht so unerbittlich wie bei „Requiem for a Dream“, aber mit der gleichen Unmöglichkeit umzukehren.

Vor allem für Eltern war es in „The Broken Circle“ äußerst bewegend bis unerträglich anzusehen, wie das Kind einer ganz großen Liebe sterben muss, weil religiöse Politiker medizinische Fortschritte verhindern. Nun wird das Kind groß, fast erwachsen … und drogensüchtig. Es ist naheliegend, dass der Flame Felix van Groeningen der ideale Regisseur für David Sheffs Erfahrungen „Beautiful Boy. A Father’s Journey Through His Son’s Meth Addiction“ war.

Trotzdem ist „Beautiful Boy“ kein deprimierendes Drama geworden. Denn wenn David mal wieder seinen Sohn sucht, strömt jeden Moment Vaterliebe aus seinen Poren. Auch das eindrucksvolle ernste Spiel von Steve Carell, der ja vor allem ziemlich blödeln kann, sorgt dafür, dass dies ein ungemein eindrucksvoller Film geworden ist. Er wirkt stimmig in seiner ruhigen Erzählung, das Drama ist eines mit langem Atem. Die erstaunlichen Ereignisse finden dabei in den Menschen statt. Es braucht hier keinen Drogendealer zur künstlichen Spannung. Timothée Chalamet zeigt als Sohn Nic nach „Call Me by your name“ erneut Außerordentliches. In der freien Montage aus Erinnerungen und Entwicklungen wird die starke Stimmung mit starken Songs abgerundet. „Svefn g englar“ von Sigur Ros, der schon aus „Café de Flore“ unvergesslich ist, wird hier für einen Schuss und einen bewegenden Kick eingesetzt. Das Titellied John Lennons ist nicht nur emotional kongenial für diesen sehr bewegenden Film. Das berühmte Zitat darin, „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen“, ist mit der notgedrungen daraus folgenden Gelassenheit schließlich auch die einzige Lösung, die der Film für solch eine Situation anbietet.


Ein FILMtabs.de Artikel