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Das Mädchen, das lesen konnte

Frankreich 2017 (Le Semeur) Regie: Marine Francen, mit Pauline Burlet, Alban Lenoir, Géraldine Paihas 98 Min. FSK ab 12

„Le Semeur“ heißt eigentlich der Film mit dem eher sinnlosen deutschen Titel „Das Mädchen, das lesen konnte“: „Der Sämann“ und während die wunderbaren Bilder das politisch turbulente Frankreich des Jahres 1851 im warmen Stil alter Landschaftsbilder zeigt, ist die Handlung atemberaubend unverstaubt. Der „Sämann“ ist eigentlich Schmied, aber in einem Dorf ohne Männer soll er Samen für den Fortbestand der Bevölkerung sähen.

„Es ist Ausnahmezustand, wir haben jedes Recht!“ Napoleons Soldaten kassieren kurz und schmerzhaft mit diesem immer beliebten Argument alle Männer eines abgelegenen Bergdorfes in der Provence ein. Diese hatten sich vorher für die Republik entschieden. Es bleibt ein Dorf mit allein Frauen zurück, die Felder bestellen und sich Sorgen um die Zukunft machen. Der theoretische Gedanke „Was wäre, wenn ein Mann …“, wird attraktiver Ernst, als Jean auftaucht. Ganz unabhängig vom Plan der Frauen verliebt sich die Jungfrau Violette in den Wanderarbeiter. Die Gefühle sind gegenseitig, da beide mit Leidenschaft lesen – eine Seltenheit in dieser Zeit – verbindet sich Seelenverwandtschaft mit körperlicher Anziehung. Doch irgendwann fragen die anderen Frauen Violette, wann sie an der Reihe seien.

Die erstaunliche Geschichte vom Sähman greift im Bild das beliebte Malerei-Genre vom „Semeur“ auf, Bauern und Bäuerinnen vor goldenen Kornfeldern. Alt ist auch das 4:3-Format des Films, betörend schön dabei viele Bilder. Wie das vom Brautkleid einer jungen Witwe, das am Baum hängend im Gegenlicht verbrennt – ganz große Bildkunst. Ganz bodenständig und realistisch hingegen, wie sich kurz darauf wirklich eine der Frauen aufhängt. Doch, auch Dank der grandiosen Schauspielerinnen, niemals wirkt der Film wie „von gestern“. Liebe und Leidenschaft, das Dilemma der klugen Violette, Trauer, Schmerz und Sehnsüchte tauchen in Blicken und Gesten auf und berühren nachhaltig.


Ein FILMtabs.de Artikel