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Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes

BRD, Italien, Schweiz, Frankreich 2018 Regie: Wim Wenders 96 Min. FSK ab 0

Von Wim Wenders, Papst des Neuen Deutschen Films, Palmen-Gewinner mit „Paris, Texas“ und ewig junger Bild-Visionär, kann man auch dokumentarisch einiges erwarten. „Pina“, seine Würdigung der Tänzerin Pina Bausch war der bislang einzige Film im neuen 3D, der Grenzen verlagerte und berauschte. Die kubanische Musik-Doku „Buena Vista Social Club“ kümmerte sich zwar nicht wirklich ums Leben in Kuba, wurde aber ein Hit und musikalisch ein Dauerbrenner. Zuletzt berührte der Augenmensch Wenders tief mit dem Öko-Wunder und Porträt des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, „Das Salz der Erde“. Und nun eine filmische Audienz beim Papst, die durchgehend enttäuscht. „Papst Franziskus“ ist der schlechteste Wenders überhaupt, eine distanz- und kritiklose Beweihräucherung eines überkommenen Religions-Führers.

Ja, so kennt man Wim Wenders, wie er sich auf der Tonspur Gedanken über die Zeit und den Zustand der Welt macht, dazu im Zeitraffer Luftaufnahmen von Castel Gandolfo. Dessen berühmter Bewohner, der aktuelle Papst, wird bei Franz von Assisi verortet, nach dem er sich benannte: „Ein Revolutionär, ein Visionär, der sich für die Armut entschied und einen Bettlerorden gründete. Genau das, was heute gebraucht wird?“ fragt Wenders auf der Tonspur. Ja, wäre nicht schlecht, wenn jemand das florierende Unternehmen Katholische Kirche zu einem Bettlerorden umwandeln und die Billarden an Vermögen zum Mindern des Leides der Menschheit einsetzen würde. Dieser Papst Franziskus redet allerdings nur davon. Dies jedoch brillant, eine perfekte Werbefigur. Dieser Mann, der immer im langen Kleid rumläuft, hat nicht nur die Menge im Griff, er gewinnt auch beim festen Blick in die Kamera.

Bei vier Audienzen saß der Papst vor der Kamera von Wenders. Die Produktion wurde vom Medienteam des Vatikan initiiert, der Regisseur betont allerdings seine großen Freiheiten. Franziskus, der erste Papst aus der südlichen Hemisphäre, spricht konzentriert in die Kamera, macht Denk-Pausen, spult keine Phrasen ab. Man nimmt ihm die Sorge um die Erde ab. Ein Thema, dass Wenders auch in seiner letzten Doku „Das Salz der Erde“ bewegte. Im Öko-Block gibt es dann auch die einzigen „großen“ Bilder zu sehen, von einer Diaprojektion auf den Petersdom. Wirkungsvoller sind stimmungsvoll montierte Giotto-Fresken aus einer umbrischen Assisi-Kapelle. Und die Szenen eines jüngeren Jorge Mario Bergoglio, der in Buenos Aires predigt und die Gläubigen zu einer Geste der gegenseitigen Umarmung aufruft.

Staunen kann man tatsächlich über die Fülle des offiziellen Vatikan-Materials, aus der Wenders schöpfen konnte. Es wirkt, als sei er überall dabei gewesen. Bei den aus den Medien bekannten Auftritten und Aussagen zur Offenheit der Kirche für Homosexuelle und zur Nulltoleranz gegenüber Kindes-Missbrauch durch Priester, die den Zivilgerichten übergeben werden sollen. In der Gedenkstätte Yad Vashem, alleine in Auschwitz, auf den Flüchtlingsinseln Lampedusa und Lesbos, nach einer Sturm-Katastrophe auf den Philippinen. Hier zeigt sich allerdings auch der wahnsinnige Aberglaube hinter dem freundlichen Wort Religion.

Kopfschütteln gibt es auch bei vielen Aussagen des populären Predigers, der fast dem Dalai Lama Konkurrenz machen könnte. Mehrmals erwähnt er eine „taube Welt“ und betont der Wert des Zuhörens. Eine kleine Episode über den Umgang mit dem Tod ist äußerst berührend. Starke Worte eines geschickten Redners und Rhetorikers zeigen einen Mann mit sozialem Bewusstsein und Gewissen, der als über 80-Jähriger allerdings nicht auf dem neuesten Stand ist. Erzkonservativ und altmodisch klingt die Betonung vom Wert des Bodens und der klassischen Familie, die für aktuelle Probleme wie Robotisierung oder globale Finanzmärkte wertlos bleibt. Die Empörung über geschlossene Wohnanlagen, die in den 70er auch in Argentinien aufkamen, erscheint aufrichtig in diesem offenen Gesicht. Dass er mit seinem Klan selbst in geschlossenen Wohnanlagen lebt, könnte Wenders dezent im Bild andeuten. Doch „Papst Franziskus“ ist ein Fan-Film, Wenders zeigt nichts von seinem sehr genauen Auge, das auch widersprüchliche Details einfangen kann. Höchstens die Aufnahmen der meist feisten Kurien-Bischöfe bei einer weiteren Armuts-Rede könnten als ironischer Bruch verstanden werden. So ist vielleicht der Titel „Ein Mann des Wortes“ die einzige Pointe: Mehr als schöne Worte sind auch von diesem rhetorisch exzellenten Führer einer weiteren, extrem reichen und überkommenen Religion nicht zu erwarten.


Ein FILMtabs.de Artikel