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Isle of Dogs – Ataris Reise

USA, BRD 2018 Regie: Wes Anderson 100 Min.

Wow! Was für ein wunderbarer, ungewöhnlicher, liebevoller und begeisternder … Hundefilm. Das neue Meisterwerk von Wes Anderson („Moonrise Kingdom“, „Grand Budapest Hotel“) ist, wie schon „Der fantastische Mr. Fox“, ein Stop-Motion-Animationsfilm. Anderson ist wieder auf den Hund gekommen, auf so geniale Weise, dass man nur eines sagen kann: Wow!

Dabei wird man erst einmal still angesichts der traurigen Geschichte, wie in naher Zukunft alle Hunde aus der Stadt Megasaki City auf eine Müllinsel verbannt werden sollen. Zugegeben, was die Vierbeiner an Maul- und Klauen-Seuchen, Läusen und Zecken mit sich tragen, ist wirklich nicht schön. Ihr Niesen zwar witzig, die mysteriöse Hundepest allerdings nicht. Die hasserfüllten Reden des Bürgermeisters Kobayashi, der für seine Wiederwahl eine Randgruppe erzeugen und deportieren muss, erinnern dabei überdeutlich an all die rechten und populistischen Politiker, die sonst nichts zu sagen hätten.

Ausgerechnet Spots, der Bodyguard-Hund von Atari Kobayashi, dem Pflegesohn des korrupten Bürgermeisters, wird als erster zur Müllinsel deportiert. Erst Jahre später gelingt es dem mittlerweile 12-jährigen Atari, sich nach abenteuerlicher Bruchlandung mit einem Metallteil im Kopf auf die Suche nach Spots zu machen. Adoptiert wird er von fünf Hunden, mit deren hartem Ãœberleben auf der Insel wir schon vertraut gemacht wurden. Beziehungsweise: Es sind erst nur vier Flohträger, die in tierisch komischen demokratischen Prozessen entscheiden, dem ramponierten, aber typisch japanisch entschlossenen Kerlchen Atari zu helfen. Chief, der einzige originäre Streuner des Quintetts, wehrt sich dagegen, einem der Menschenrasse, die ihnen so viel Grausames angetan hat, zu helfen. Umso verständlicher, je weiter sich die kuriose Reise der seltsamen Truppe einer ehemaligen Tierversuchs-Anlage nähert…

„Isle of Dogs“ ist ein großer, schräger Spaß. Dauernd überrascht Wes Anderson mit netten, absurden oder schönen Einfällen. Bekanntes wird auf den Kopf gestellt, die obligatorische Sushi-Zubereitung bekommt einen Touch Monsterfilm in die Bento-Box gelegt. Bei den Narben und Verwundungen, die Hund und Mensch zeigen, kommt Anderson dem anderen großen Animateur für Erwachsene, Tim Burton, sehr nahe. Diese Figuren haben durchweg Heftiges erlebt, auch wenn sie nicht in einer Tierversuchs-Anstalt leiden mussten. Was auf den ersten Blick zu kurioser Physiognomie und aberwitzigen Prothesen führt, aber auch zu einer allgegenwärtigen Melancholie. Denn das Leben ist kein Hundeschleckerli.

„Isle of Dogs“ ist pur Wes Anderson, dem man eigenartiges Sozialverhalten nachsagt: Symmetrisch flach aufgebauten Szenerien, in denen Animations-Puppen doch besser auf Regieanweisungen wie „Bei Fuß“ reagieren, als schwierige Schauspieler, also Menschen. Selbst wenn diese so kongenial zu Andersons Stil passen wie Bill Murray oder Tilda Swinton. Eine Schatzkarte wie aus Kinderzeiten dient als Leitfaden der Handlung. Und alles wird getragen von netten Leitmelodien, einem traumhaften Rhythmusgefühl auch in der Montage sowie super Songs für die eigene Playlist.

Diese Filmperle erweist der japanischen Kultur viel Respekt. Das mit dem „Wow“ und dem Japanischen ist auch so eine herrlich schräge und spaßige tolle Sache in diesem Film: Denn wir verstehen die Hunde völlig problemlos. Nur die Hunde! Alles andere bleibt unübersetzt, wie eine der vielen netten Texteinblendungen erklärt. Eigentlich. Denn Anderson lässt sich selbstverständlich wieder haufenweise nette Details einfallen, mit denen wir doch alle verstehen und mit denen gerade diese Sache mit dem Übersetzen mitunter herrlich auf den Arm genommen wird.

„Isle of Dogs“ ist auf jeden Fall ein großes Vergnügen, dass nachhaltig fröhlich macht. Wobei es erstmals auch eine sehr deutliche Botschaft gibt: Die politischen Hassprediger, die traurigen Gestalten, die auf Müllhalden nach Resten einer Überflussgesellschaft suchen und vor allem die furchtbaren Experimente mit Tieren. Das ist zu lange schon Gegenwart und keine Fiktion. Doch diese vielen großen Augen der Hunde mit ihrem herzzerreißenden und umwerfend komischen Blick in die Kamera machen, dass man nachher, draußen in der anderen Welt, nicht nur Hunde mit anderen Augen ansieht. Und das ist schon fast ein weltbewegender Effekt für eine scheinbar nichtige Spielerei mit niedlichen und schrägen Animationsfiguren.


Ein FILMtabs.de Artikel