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Tulpenfieber

Großbritannien/USA 2017 (Tulip Fever) Regie: Justin Chadwick mit Alicia Vikander, Christoph Waltz, Holliday Grainger, Dane DeHaan, Judi Dench 105 Min. FSK: ab 6

Ein Gemälde von einem Film! Ja, wie schon „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ sieht auch alles um die unglückliche Ehefrau Sophia (Alicia Vikander) im Amsterdam des Jahres 1630 aus wie gemalt. Der in Farben und Sujets nachempfundene Stil niederländischer Malerei inspiriert Regie und Kamera erneut, die wechselhafte Geschichte zweier Lieben vor dem Hintergrund der wahnsinnigen Tulpen-Spekulationen in „Tulpenfieber“ packt trotz einiger Trivialitäten vor allem durch Stars wie Alicia Vikander, Christoph Waltz und Judi Dench.

Der explodierende niederländische Handel mit kostbaren Tulpen-Zwiebeln gilt als Mutter aller Spekulations-Blasen. Doch „Tulpenfieber“ zeigt viele Händel und anderen Handel, Menschenhandel: So wird die Waise Sophia (Alicia Vikander) aus dem Kloster der geschäftstüchtigen Äbtissin (Judi Dench) an den reichen Gewürzhändler Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz) verkauft. Dieser braucht nach dem schmerzlichen Tod von Frau und Kind bei der Geburt eine neue Frau, um Nachfahren zu zeugen. Trotz grandios liebloser und zwischen peinlich und eklig schwänzelnden Versuchen in jeder Nacht wird Sophia nicht schwanger. Im Gegensatz zu ihrer Dienstmagd Maria (Holliday Grainger), die sich eines lustvollen Liebeslebens mit dem Fischhändler Willem (Jack O’Connell) erfreut. Die Sache wird richtig kompliziert und zu einer Verwechslungs-Tragödie, weil der bei aller Gottesfürchtigkeit maximal eitle Sandvoort zur Repräsentation ein Familienporträt in Auftrag gibt. Prompt verlieben sich Sophia und der junge Maler Jan van Loos (Dane DeHaan). Da die heimlichen Rendezvous immer unter einem Mantel der Verschwiegenheit und dem blauen der Magd geschehen, rast Willem eifersüchtig, lässt sich den Gewinn aus seinen Tulpen-Spekulationen klauen und wird besoffen zur Handelsschifffahrt entführt. Der nächste Menschen-Handel, der (unerwähnt) auch zur Sklaverei führt. Rund wird das Skript dadurch, dass der verliebte Maler ausgerechnet mit der seltenen Tulpenzwiebel „Admiral Maria“ von Willem die Fluchttickets für ihn und Sophia finanzieren will…

Ja, Drehbuchautor Tom Stoppard kann was und vor allem das: Tiefergehende historische Betrachtungen mit emotionalen Dramen und mehrschichtigen Figuren aufladen. Das gelang ihm von „Anna Karenina“ (2012) bis „Shakespeare in Love“ (1998). Aber auch andere Erfolge wie den Gangsterfilm „Billy Bathgate“, den Spionagefilm „Das Rußland-Haus“, die Shakespeare-Variation „Rosenkranz & Güldenstern“ oder den Klassiker „Brazil“ kann er auf der Haben-Seite notieren.

Es ist herrlich, wie Christoph Waltz als eitler Pfeffersack die ganze Tulpen-Manie verachtet. Aber auch mit zu großer Selbstsicherheit auf die Festgefügtheit von Ständen und Besitztümer vertraut. Das macht ihn zur tragischsten Figur in dem Gesellschafts-Stück mit den klassischen zwei Liebesgeschichten bei Herrschaft und den Dienern. Auch Alicia Vikander überzeugt wie erwartet in ihrem einfacher gestrickten Leiden. Während Eitelkeit und Vanitas neben dem Paar traditionell immer im Porträt sind, mischt die Äbtissin im Auftrag des Papstes ganz modern im Geschäftsleben mit. Dabei ist tatsächlich nicht der Spekulations-Wahnsinn für die Tragik verantwortlich, sondern die Dummheit, einen Alkoholiker mit einem Vermögen durch die immer reichlich belebten Grachten-Gassen voller Diebe und Gaukler zu schicken, der die Zwiebel im Suff aufisst. Während wiederum das Ultramarinblau von Sophias Kleid, zwar für die Reinheit steht, aber banal ökonomisch auch als das Blau von „über dem Meere“, von einem weit entfernten Steinbruch, die teuerste Farbe ist. So schwankt Stoppard zwischen klugen Ideen und einem boulevardesken Versteckspiel, das manchmal zur Farce wird.

PS: „Valerian“ Dane DeHaan trifft hier übrigens seine „Veronique“ Cara Delevingne in der Rolle als diebische Prostituierte Annetje. Ist diese alles nur eine Zeitreise eines anderen Films?


Ein FILMtabs.de Artikel