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Seefeuer

Italien, Frankreich 2016 (Fuocoammare) Regie: Gianfranco Rosi 114 Min. FSK: ab 12

Die Flüchtlingskrise beherrscht weiterhin die Nachrichten. Da war es wenig überraschend, dass sich die Jury der Berlinale in diesem Jahr entschied, den Hauptpreis des Festivals an »Seefeuer« zu verleihen. Der Dokumentarfilm von Gianfranco Rosi wirft einen Blick auf die italienische Insel vor den Toren Europas, die durch die Nachrichten zu unverhofftem Ruhm gekommen war: Lampedusa. Einst Ort der Sehnsucht für viele Europäer, wird sie nun zum Sehnsuchtsort vor allem der Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika, die vor Krieg und Hunger fliehen. Tausende Menschen erreichen die kleine Insel im Mittelmeer Monat für Monat, viele schaffen es nicht bis zum rettenden Ufer. Sie alle – die Geretteten und die Toten – sind Alltag geworden für die Menschen auf Lampedusa. Rosi, der mit seinem Städteporträt »Das andere Rom« 2013 den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig gewann, beobachtet sie beim Leben mit der Flüchtlingskrise und stellt den Helfern die Opfer entgegen, die auf brüchigen Booten zu Hunderten eingepfercht mit dem Versprechen auf eine bessere Zukunft den Fluten überlassen wurden. Irgendwer wird sie schon rausfischen, so die vorherrschende Einstellung der Schleuser. Als Hauptprotagonisten wählt Rosi den 12jährigen Einheimischen Samuele. Unbeschwert streift er durch die Gegend, beschießt mit einem Schulfreund Kakteen mit seiner selbstgebastelten Steinschleuder, während nebenan die Küstenwache ihr bestes tut, um Menschenleben zu retten. Die Balance zwischen Alltag der Inselbewohner und dem Schicksal der Flüchtenden gelingt Rosi nicht ganz, die Opfer bleiben auch bei ihm namenlos, aber nicht ohne Gesicht und Geschichten. In kommentarlosen, kunstvollen Bildern fängt er ihr Schicksal ein. Sein Anspruch, den Schlagzeilen ein Gesicht zu verleihen, ist lobens-, sein Film unbedingt sehenswert. Wer aber mehr über die Menschen auf beiden Seite der Krise erfahren will, dem sei Jakob Brossmanns »Lampedusa im Winter« (DOK Leipzig 2015) empfohlen.


Ein FILMtabs.de Artikel