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Höhere Gewalt (2014)

Schweden, Frankreich, Dänemark, Norwegen 2014 (Turist / Force Majeure) Regie: Ruben Östlund mit Johannes Bah Kuhnke, Lisa Loven Kongsli, Clara Wettergren, Kristofer Hivju, Fanni Metelius 118 Min.
Schüsse in den Bergen. Doch nichts Dramatisches, eigentlich. Die Explosionen sollen nur kontrolliert Lawinen abgehen lassen. Allerdings entblößt so eine Lawine unfreiwillig die wahren Interessen des schwedischen Familienvaters und Ski-Touristen Tomas (Johannes Bah Kuhnke). Als die weiße Wand auf die Restaurant-Terrasse zurollt, schnappt Tomas sein Handy und rennt weg. Zurück im leichten Staubnebel bleiben Frau Ebba (Lisa Loven Kongsli) sowie die beiden Kinder.
Von nun an zeigt sich ein anderes Bild als das des Fotografen am Lift, der ein Familien-Idyll ins ideale Licht setzte. Ebba zweifelt mehr und mehr an der Beschützerrolle ihres Gatten und das ist erst der Anfang einer kompletten Demontage des Mannes. Das Zähneputzen vorm Spiegel mit einer elektrischen Zahnbürste für jeden der vier Familienmitglieder wird zum Blickduell der beiden Ehepartner. In der eisigen Streit-Stimmung bekommen die einsamen und stillen Gänge des riesigen Luxushotels etwas vom „Shining“-Schauer. Wie schon Ursula Meier in ihrem „Winterdieb“ wird das touristische Setting völlig verfremdet. Da fliegt eine Spielzeug-Drohne wie ein Ufo durch die Nacht, um später mitten im Zimmer mitten in die größte Gespräch-Beklemmung zu platzen. Die Rollenspiele im Schnee von Regisseur Ruben Östlund sind nämlich immer wieder auch herrlich absurd und damit ganz nah am Landsmann und Regie-Kollegen Roy Andersson, etwa in der wortlosen Nebenrolle des Putzmannes vom Hotel. Kurze Stücke aus Vivaldis „Winter“ geben dem Ganzen eine Würde und Höhe, welche die Musterfamilie nie erreichen kann.
Die Stille draußen im Schweigen der Beziehung erinnert – auch wegen der Schwarzblenden – an die emotionale Vergletscherung der Gesellschaft in Michael Hanekes ersten Filmen, nur dass hier eine Beziehung aus heiterem Ski-Urlaubshimmel vergletschert. Die so typischen Szenen eines nicht ganz gelungenen Urlaubs, wenn beispielsweise ein unfähiger Busfahrer in den Serpentinen die Kurve nicht kriegt, passen perfekt in den Subtext der Beziehungskrise und weitergehend in einen gesamtgesellschaftlich versuchten Rollenwechsel.
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Ein FILMtabs.de Artikel