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Les Misérables (2012)

Großbritannien 2012 (Les Misérables) Regie: Tom Hooper mit Hugh Jackman, Russell Crowe, Anne Hathaway, Amanda Seyfried, Sacha Baron Cohen, Helena Bonham Carter 158 Min. FSK ab 12 Miserabel ist auf jeden Fall der Gesang dieses Musicals. Dass mit gutem Schauspiel und aufwändiger, aber auch stimmiger „Bühnen“-Kulisse ein krasser Gegensatz zu den peinlichen Musik-Einlagen entsteht, macht „Les Misérables“ fast zu einem reizvollen Trash-Film … für zig Millionen produziert und kühl auf die breite Kino-Masse kalkuliert. Es ist eine großartige Trivialgeschichte, die dieses Musical aus Victor Hugos „Die Elenden“ gemacht hat: Die Französische Revolution hat ihre Fans schon vor vielen Jahren verschlungen. Es herrscht wieder soziales Unrecht, Jean Valjean (Hugh Jackman) schuftet Jahre im Arbeitslager, weil er ein Brot geklaut hat. Aufseher Javert (Russell Crowe) verkörpert die grausame Macht, die von oben herab unschuldige Menschen verdammt. Auch nach seiner Entlassung bleibt Valjean vogelfrei, will wieder stehlen, doch ein guter Priester bekehrt ihn. Unter neuem Namen arbeitet sich der Ex-Sträfling zum Fabrikbesitzer hoch, doch – nicht zum letzten Male – stöbert Javert ihn auf. Parallel wird Fantine (Anne Hathaway), eine von Valjeans Arbeiterinnen, entlassen und landet innerhalb eines Liedchens geschoren und vergewaltigt im Bordell. Nur eine Melodie weiter haucht sie – singend! – den letzten Atemzug ihrem ehemaligen Arbeitgeber ins Gesicht, der von nun an aus lauter schlechtem Gewissen Fantines Tochter Cosette (Amanda Seyfried) wie ein eigenes Kind behütet. Was nicht einfach ist, mit Javert auf den Fersen und der Revolution von 1830 in den Straßen von Paris. Dazu hat sich Cosette ausgerechnet in einen der hitzköpfigen Barrikadenkämpfer verliebt. Doch ein paar Tote weiter geht alles gut aus. In einem Liedchen zur Prostituierten, beim Geträller auch noch Haare geschoren und die Zähne für ein paar Münzen gezogen. Wie Fantine dann noch schnell abkratzt, ist eigentlich unfassbar krass. Wenn man übersieht, dass diese völlig unrealistische Realitäts-Reduzierung zur Gefühls-Optimierung im Wesen solcher Musicals liegt. Trotzdem schmeckt ein derartig obszönes Gefühls-Extrakt auf Augen, Ohren und auch in der Magengrube unangenehm nach Nescafé. Besser erträglich sind da die lustigen Szenen mit „Borat“ Sacha Baron Cohen und der schon durch Bartons „Sweeney Todd“ musical-erfahrenen Helena Bonham Carter als Monsieur und Madame Thénardier, die verlogenen, heuchlerischen und grell gestylten Betreiber eines schäbigen Bordells. Ãœberhaupt konstrastieren sehr gute Schauspieler die absurde Versuchsanordnung Film-Musical, auch wenn Hugh Jackman nie wie Wolverine mal seine Klauen zeigt, um dieses rührseelige, aber blutarme Spektakel aufzumischen. Auch die Ausstattung und Inszenierung von Tom Hooper („The King’s Speech“) haben ein Niveau, das viel zu gut für den kläglichen Singsang und die Groschenroman-Handlung ist. Da fliegen wir mit der Kamera direkt in eine Anfangsszene hinein, die ein havariertes Schiff vor der Werft gewaltig wie ein Weltraum-Wrack erscheinen lässt. Die Barrikaden im Film-Paris hätten die ganze Occupy-Bewegung weltweit mit Material für Straßen-Blockaden versorgen können. Alles ganz eindrucksvoll – wenn sie doch nicht singen wurden, immer. Vor allem der Sprechgesang von Leuten mit dazu nicht ausgebildeter Stimme ist schwer erträglich und macht das kalkulierte Spektakel zur fast dreistündigen Qual.


Ein FILMtabs.de Artikel