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Berlinale 2012 Die eiserne Lady
Frankreich, Großbritannien 2011 (The Iron Lady) Regie: Phyllida Lloyd mit Meryl Streep, Jim Broadbent, Susan Brown 104 Min.
Don’t buy british
Eine alte Dame kommt beim Kaufen der Milch nicht mehr in einer rücksichtslosen Welt zurecht. Eine einfache Szene mit vielen Widerhaken, denn dass Magaret Thatcher, Tochter eines Lebensmittelhändlers, selbst wegen des Wegkürzens der Schulmilch, als „Milch-Diebin“ verschrien war, ist nur eine pikante Note dafür, dass sie diese rücksichtslose Welt als Premierministerin selbst geschaffen hat. Doch so treffend wie in seiner Anfangsszene wird „Die eiserne Lady“ später nie mehr. Großartig von Meryl Streep gespielt, bekommt eine der furchtbarsten und mörderischsten Politiker der Nachkriegszeit ein sentimental jämmerliches Denkmal.
Die verwirrte Frau, die vom Personal als Lady Thatcher angesprochen wird und die mit ihrem Mann Denis (Jim Broabent) frühstückt, der nicht mehr lebt, schweift in Erinnerungen ab zu ihrer Jugend, als sie mutig in den Bombennächten die Butter rettete, zum Treffen mit ihrer großen Liebe Denis und zu den politischen Anfängen. Es vermischen sich ein Diner vom Anfang ihrer Karriere mit dem am Ende ihres Lebens. Die romantischen Zeiten mit einem Mann, der sie genau so emanzipiert und ihrer Zeit voraus wollte, wie sie als Tochter eines Lebensmittelhändlers und als Oxford-Absolventin war, kontrastieren die Bemühungen ihrer Tochter, endlich die alten Sachen des verstorbenen Denis raus zu werfen.
Neben diesem unter dicker Maske bewegend gespieltem Privatteil taucht im Zeitraffer die Politik auf, für die Thatcher ihre Familie vernachlässigt hat. Da sind von Anfang an furchtbare markt-liberale Thesen, die nur noch von einer extremistischen Splitterpartei wie der FDP konserviert werden. Dazu kommt als Tiefpunkt ein absurder und für moderne Demokratien längst überwunden gedachter Krieg – für ein paar Schafweiden auf den Falklands gegen Argentinien. Die Eiserne Lady spielt hier Schiffe Versenken mit echten Menschen – hunderten von ihnen. Doch selbst hier macht der Film eher Punkte für die Kriegstreiberin anstatt sie von den Geistern tausender Tote verfolgen zu lassen. Meryl Streeps Können hilft hierbei hervorragend: „Die Eiserne Lady“ ist ein Schauspiel-Film wie vor wenigen Jahren „The Queen“. Die Streep ist kaum zu erkennen, hingegen direkt die extrem hohe, sich überschlagende Stimme, die furchtbaren Kostüme der verhassten Politikerin. Sollte man Streep dafür nicht eher eine politisch motivierte Goldene Himbeere anstelle eines Goldenen Ehrenbären verleihen? Dem politischen Kino, das die Berlinale immer auf ihre Fahnen schrieb, erfüllt man damit einen Bärendienst.
Denn Phyllida Lloyd, die Regisseurin von „Mamma Mia!“ erzählt in ihrem sentimentalen Stückchen wenig analytisch und gibt keine biographische Erklärung für die eiskalten Kürzungen, die ein Land in Elend gestürzten. Fast glaubt man anfangs noch den verdrehten Tatsachen, mit denen Thatcher die Gewerkschaften zerschlug, die soziale Fürsorge brutal unter das Existenzminimum kürzte und öffentliche Betriebe zur Bereicherung weniger privatisierte. Eine der innen- und außenpolitischen größten Katastrophen europäischer Nachkriegs-Demokratien filmisch so zu verharmlosen, kann wohl nur mit einer exzellenten Schauspielerin funktionieren, bleibt aber eine Dreistigkeit, die man an der Kinokasse ignorieren sollte. Nebenbei ist diese „Iron Lady“ auch langweilig und schwer erträglich jämmerlich.
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- Publiziert von:
- Oliver Schiffers, 16.02.2012 / 6:15
- Rubrik:
- Berlinale 2012, Kritiken GHJ
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