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Berlinale 2012 L’enfant d’en haut | Sister (Ursula Meier)

Schweiz, Frankreich 2011 Regie: Ursula Meier mit Léa Seydoux, Kacey Mottet Klein, Martin Compston, Gillian Anderson 97 Min. Falls sie letztlich das Gefühl hatten, im Schweiz-Urlaub ausgenommen zu werden, könnte das andere Gründe als den extrem starken Schweizer Franken haben: In Ursula Meiers starkem Wettbewerbs-Beitrag „L’enfant d’en haut“ (Sister) fährt der zwölfjährige Simon (Kacey Mottet Klein) jeden Tag mit dem Lift zur Bergstation, um eifrig und unverfroren Ski und Zubehör zu klauen. Seine Beute verkauft er im Tal eines Ostschweizer Verbier-Wintersportgebiets den Kindern der Gegend. Trotz Hunderter die durch seine Hand gehen, haust Simon mit der etwas älteren Louise (Léa Seydoux), die er auf Englisch „Sister“ nennt, in einer kleinen, billigen Wohnung. Auch die „Schwester“ sieht mit kurzem Rock billig aus. Mit Männern stellt sie sich dämlich an, was ein und blaues Auge belegt, ansonsten auch. Simon, körperlich noch ein Hänfling, lässt derweil den Macker raushängen. Bei der Schwester und einer englischen Touristin (Gillian Anderson). Als sich ein etwas netterer Typ ernsthaft für Louise interessiert, lässt Simon die Bombe platzen: Sie ist meine Mutter! Die verdrehte Familiensituation, in der ein frühreifes Kind den Versorger der immer ratlosen Mutter spielt, ist einer der Filme, die in Cannes preisverdächtig sind. Gönnen würde man es ihm auch hier, doch in Sachen Favorit bleiben wir Petzolds „Barbara“ treu. „L’enfant d’en haut“ (Der Junge von oben) beginnt nicht nur seinen Titel mit dem „L’enfant“ (Das Kind) der Dardennes, Simon ist tatsächlich eine Schweizer Variante der Lütticher „Rosetta“: Irgendwie durchs soziale Netz gefallen, was in der reichen Schweiz schwer vorstellbar ist, und auch im Sozialverhalten deutlich neben der Spur. Die Wohnung dieser „Familie“ liegt wieder neben einer Schnellstraße. Genau wie in „Home“ dem französisch-schweizer Vorgänger von Ursula Meier, in dem eine Familie im surrealen Kampf mit einer Autobahn zerbricht. Isabelle Huppert spielte dort die Hauptrolle, sie disqualifizierte sich übrigens mit viel Geschrei als Dschungel-Geisel in „Captive“ für den Darstellerinnen-Preis. (Auch Gillian „Scully“ Anderson hat nach „Shadow Dancer“ hier ihren zweiten Auftritt in einer Nebenrolle.) Damit wäre auch die Anwartschaft auf den Darstellerinnen-Preis geklärt: Léa Seydoux spielte zurückhaltend und introvertiert in der Eröffnung „Leb wohl, meine Königin“. Hier zeigt sie sich als Louise schlampig und ordinär. Kaum wiederzuerkennen und das macht gutes Schauspiel aus!


Ein FILMtabs.de Artikel