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Troubled Water
Norwegen 2008 (De Usynlige) Regie: Erik Poppe mit Pål Sverre Valheim Hagen, Trine Dyrholm, Ellen Dorrit Petersen, Fredrik Grøndahl, Trond Espen Seim 121 Min. FSK: ab 12
Liegt es am Protestantismus, dass sich die Skandinavier immer so großartig und immer wieder packend mit Schuld beladen und auseinandersetzen? In der bitter-komischen Herausforderung Gottes in „Adams Äpfel“ von Anders Thomas Jensen oder im stark stilisierten Lebenswandel „Bedingungslos“ von Ole Bornedal beispielsweise. Und dann „Das Fest“ einer Vergangenheitsbewältigung sowie ganz neu „Submarino“ von Thomas Vinterberg, der „Troubled Water“ nicht nur thematisch (totes Kind, verletzte Hand), sondern auch formal (lineare statt parallele Montage) erstaunlich verwandt ist. Und dann gibt es ja noch den ganzen komplexbeladenen Bergman-Eisberg…
Kann man einen Erwachsenen für das verurteilen, was er als Jugendlicher verbrochen hat? Ist ein vermeintlicher Mörder nach Absitzen seiner Strafe noch schuldig? Diese moralischen Untiefen lotet „Troubled Water“ mit dem Organisten Jan Thomas (Pål Sverre Valheim Hagen) feinfühlig aus: Als Teenager klaute er in einem dummen Streich mit seinem Freund einen Kinderwagen samt Kind. Der panische Junge verunglückte und starb dabei. Die Täter wurden verurteilt. Nun kommt Jan Thomas aus dem Gefängnis und bekommt eine Stelle bei einer Kirche. Das Orgelspiel ist seine große Leidenschaft, selbst ein gebrochener Finger – ein Abschiedsgeschenk seiner Mithäftlinge – kann nicht verhindern, dass er mit seinen eindrucksvollen Variationen kirchlicher und weltlicher Stücke die Menschen bewegt. Auch die sehr naive Pfarrerin Anna (Ellen Dorrit Petersen) wird von Thomas, wie er sich jetzt nur noch nennt, berührt. Anna hat einen kleinen Sohn, Jens, vor dem Thomas zuerst regelrecht Angst hat. Später bangen andere um Jens…
Gerade als man anfängt, Thomas ein gutes Leben frei von der tragischen Vergangenheit zu wünschen und die drohenden Erinnerung nicht mehr sehen will, taucht Agnes (Trine Dyrholm), die Mutter des verstorbenen Kindes auf.. Während sich nun die Handlung aus ihrer Perspektive wiederholt, bekommt man mehr und mehr Verständnis für ihr immer währendes Leiden. Dies wird nicht das letzte Kippen in der mitreißenden Gefühlsdramaturgie dieses bewegenden Films sein. Agnes will keine Rache, sie will nur endlich wissen, was damals tatsächlich geschah. War es ein Unfall oder tatsächlich ein Mord? Und wer der beiden Jungen, die sich gegenseitig beschuldigten, hatte letztendlich Schuld?
Schuld und Vergebung werden diskutiert. Berufsmäßig beherrscht Pfarrerin Anna diese Kategorien, aber als Mensch fällt es ihr schwerer, an Thomas zu glauben. Glauben und Zweifel, für die wieder ein ungläubiger Thomas steht, bestimmen ebenfalls diesen menschlich extrem spannenden Film.
Was der britische „Boy A“ nicht vollbrachte, macht „Troubled Water“ ganz einfach und geschickt: Er zeigt beide Seiten eines tragischen Ereignisses. Vielleicht sind die Doppelungen manchmal zu ausführlich, aber dieser Film lässt viel zum Nachdenken übrig. Simon & Garfunkels Hymne „Bridge over Troubled Water“ stand Pate für den internationalen Titel des Films – Wasser in seinen vielfältigsten Formen taucht auch ansonsten dauernd im Film auf, allerdings trotz der Häufigkeit dieser Metapher sehr unauffällig. Diese gleichzeitig dichte und unprätentiös wirkende Inszenierung macht zusammen mit den großartigen Darstellern Pål Sverre Valheim Hagen (Jan Thomas) und Trine Dyrholm (Agnes) „Troubled Water“ zu einem Film der unmerklich, aber nachhaltig packt.
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- Publiziert von:
- Günter H. Jekubzik, 15.03.2010 / 9:25
- Rubrik:
- Kritiken GHJ
28 Kommentare
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