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Das Kabinett des Dr. Parnassus
Frankreich, Kanada 2009 (The Imaginarium of Doctor Parnassus) Regie: Terry Gilliam mit Heath Ledger, Johnny Depp, Jude Law, Colin Farrell, Christopher Plummer, Tom Waits 122 Min. FSK ab 12
Wenn wir aufhören, Geschichten zu erzählen, dann hört die Welt auf, zu existieren. Eine nicht neue Botschaft, die von 1001 Nacht an eine unendliche Geschichte immer weiter spinnt. Wenn sie allerdings so ein begnadeter Erzähler wie Terry Gilliam verbreitet, dann erreicht das Fabulieren in der Geschichte vom Geschichtenerzählen neue fantastische Höhepunkte. Der Kampf zwischen Gut und Böse ist noch nie so lustvoll ausgespielt worden. Dass ein anderer großer Erzähler – Leben / Tod – dem Film den Hauptdarsteller Heath Ledger raubte, forderte ganz neue Lösungen vom Drehbuch. Und lieferte ihm herrliche Auftritte von Johnny Depp, Colin Farrell und Jude Law.
Sie ist ganz schön runtergekommen, die Kraft der Fantasie: In einer fahrenden Bruchbude versucht das klapperige Kabinett des Dr. Parnassus (Christopher Plummer) in London Menschen einzufangen, die aber mehr an Shopping und dem Saufen interessiert sind. Erst als seine Tochter Valentina (Lily Cole) kurz vor ihrem 16. Geburtstag den geheimnisvollen Tony (Heath Ledger) von einem Seil unter einer Themse-Brücke abknüpft, ändert sich das Geschäft mit der Fantasie. Der charmante Mann führt Parnassus reihenweise Frauen zu, die in der Welt hinter einem Spiegel ihren eigenen Träumen begegnen. Das weckt nicht nur die Eifersucht von Parnassus’ Gehilfen Anton (Andrew Garfield), sondern auch die schaurig und großartig böse Gestalt des Mr. Nick (Tom Waits) auf den Plan. Denn hinter der Jahrtausende alten Geschichte des Dr. Parnassus steckt ein altes Spiel: Der Teufel wettet um die Seelen der Menschen. Und dieser Mephisto von Tom Waits ist teuflisch gut!
Terry Gilliam beklagt mit anderen Kulturmenschen immer wieder das Verschwinden der Fantasie aus unserer Welt und öffnet hinter seinem magischen Film-Spiegel atemberaubende Visionen. Gilliam, der alte (amerikanische) Monty Python, begeisterte die Filmwelt mit „Time Bandits“, "Brazil", "Münchhausen" oder "König der Fischer". Er scheiterte aber auch tragisch mit „The Man Who Killed Don Quichote“ und beklagte nicht nur bei dem Action-Märchen „Brothers Grimm“ den schädlichen Einfluss der Studios. Als nun im Januar 2008, mitten im Dreh von „Parnassus“, der Star Heath Ledger starb, schien dies das Ende des Films zu sein. Aber die fantastische Kraft von Terry Gilliam erwies sich als so stark, dass sie sogar den Tod überwand. Während Ledger den Tony in der realen Welt spielt, übernehmen Johnny Depp, Colin Farrell und Jude Law seinen Part in der Fantasiewelt hinter den Spiegeln.
So entstand ein Spiegelkabinettstückchen, das nach Jahrzehnten würdig ist, neben dem Klassiker von Orson Welles in „The Lady from Shanghai“ zu bestehen. Überhaupt sind die digitalen Tricks wunderbar gelungen, sie verbinden sich organisch mit der altmodisch erzählten Rahmen-Geschichte. Insgesamt ein grandioser Triumphzug des Erzählens und der Fantasie.
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- Publiziert von:
- Günter H. Jekubzik, 05.01.2010 / 2:07
- Rubrik:
- Kritiken GHJ
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