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Konflikt-Kino

Konflikt-Kino
Internationale Brandherde werden immer wieder schnell Sujet von Kinodramen. Zwei deutsche Regisseure – Hans-Christian Schmid und Oscar-Sieger Florian Gallenberg – nahmen sich eines politischen Themas an. Mit dem Kriegsverbrecher-Prozess „Sturm“ mal hochaktuell und gelungen und mit dem Historien-Stück „John Rabe“ fast vergessen und sehr unglücklich. Damit ist die Berlinale ganz in ihrem Element. Andere Festivals zeigen auch politisches Kino, aber das Ereignis, dass noch vor 20 Jahren an der Demarkationslinie zwischen West und Ost lagt, schreibt es sich  zu Recht besonders groß auf die Fahnen.

Im Wettbewerb entfachte Hans-Christian Schmid einen „Sturm“ der Begeisterung. Er zeigt die Juristin Hannah Maynard (Kerry Fox), die Anklägerin am Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gegen den ehemaligen serbischen Befehlshaber Goran Duric. Zuerst wird sie bei einer Beförderung übergangen, dann erweist sich ihr Hauptzeuge für die Deportationen von Duric in einem bosnisch-muslimischen Dorf als Lügner. Nach dem Selbstmord des jungen Bosniers droht der Prozess zu platzen, doch Hannah entdeckt die Schwester des Toten, die selbst durch die Hölle gehen musste, und versucht sie zu einer Aussage zu bewegen.

Nicht nur die Ãœberzeugungsarbeit bei der traumatisierten Zeugin, die schnell brutale Angriffe unbelehrbarer Serben erlebt, spannt Hannah Maynard ein. Von allen Seiten, ja sogar vom Haager Gericht selbst, wird der Weg zur Gerechtigkeit verstellt. Das intensive Spiel in vielen packenden Szenen ist faszinierend, es macht das Grauen des Jugoslawischen Bürgerkrieges in den Gesichtern und Geschichten der Opfer deutlich, ohne dass es gezeigt werden muss. Ebenso faszinierend ist, wie Schmid das Geflecht von Abhängigkeiten und Interessen um eine mutige Frau herum strickt. Von einem Partner, der nicht zu ihr steht, über den Vorgesetzten, der sie hintergeht bis zum globalen Niveau der Europäischen Union, die einen Deal einfädelt, und damit grausamste Verbrechen für ein größeres Europa unter den Teppich kehrt. Er hätte „die Themenkomplexe Völkerrecht und Balkankriege erarbeitet und dann Figuren entwickelt, welche die Leidenschaft und Integrität der Vorbilder spiegeln, die wir beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gefunden haben,” erzählte Schmid auf der Pressekonferenz der Berlinale.

In einer Schlüsselszene zeigt er ein Gemälde Vermeers und lässt davon erzählen, wie Maler im Dienste ihrer politischen Herren arbeiten musste. Schmid selbst zeichnet mit Gesichtern, die einem nahe gehen, das Bild einer supranationalen Institution, die für eine bessere Welt absolut notwendig ist, aber deren Funktionieren noch in den Kinderschuhen steckt..

Während die Fachpresse den Kampf um die internationalen Rechte an NS-Vergangenheitsbewältigung diskutiert und sich fragt, ob die „Ausländer“ das auch richtig machen können, führt Oscar-Gewinner Florian Gallenberger (für seinen Kurzfilm „Quiero ser“) ernüchternd der Gegenbeweis: Die Geschichte, des strammen Nazis „John Rabe“ und Siemens-Werksleiters, der 1937 bei dem Überfall der Japaner auf Nanking mithalf, 200.000 Chinesen vor einer brutalen Armee von Übermenschen zu retten, fiel viel zu lang und sehr bedenklich aus. Kann man so einen tapferen, nationalistischen Helden (gespielt von Ulrich Tukur) zeigen, der rettet, während seine Parteigenossen in Deutschland zur gleichen Zeit mit dem gleichen Eifer, Menschen foltern, morden, verfolgen und in Konzentrationslager stecken? Da helfen auch Alibi-Szenen mit Daniel Brühl als Botschaftsangehörigem mit jüdischer Abstammung nicht: So naiv sollte man es auf keinen Fall machen.


Ein FILMtabs.de Artikel