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Schnee, der auf Zedern fällt
USA 1999 (Snow falling on Cedars) Regie Scott Hicks, 133 Min.
Vom Bestseller zum filmischen Meisterwerk - das gelingt nur ganz selten. "Schnee, der auf Zedern fällt" ist so ein Glücksfall: Wer das Buch von David Guterson gelesen hat, findet den Film ok. Wen nur den Film kennt, will ihn sofort noch mal sehen.
Vor einer Insel der nordamerikanischen Küste triebt die Leiche eines Fischers. Der aus Japan stammende Kabuo Miyamoto (Rick Yune) wird schnell als Verdächtiger erkoren. In vielen Vorverurteilungen und Zeugenaussagen zeigt sich - neun Jahre nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour - ein blinder Hass gegen alles was japanisch wirkt. Während der greise Verteidiger Nels Gudmundsson (Max von Sydow) im Gerichtssaal für Gerechtigkeit kämpft, hat der junge einarmige Journalist Ishmael Chambers (Ethan Hawke) das entscheidende Indiz in der Hand. Doch er hält sein Wissen aus verletzter Liebe zurück - die Frau des Angeklagten war sein Jugendschwarm. Eine immer noch schmerzende Geschichte drängt sich in die Erinnerung.
Wie bereits in Alan Parkers "Komm und sieh das Paradies" ist das kaum bekannte Verbrechen der US-Amerikaner an der aus Japan stammenden Bevölkerung Hintergrund der Geschichte. Wortlos eindrucksvoll läuft die Deportation ab, Vergleiche zu den Nazitransporten sind nicht zu vermeiden. In Rückblenden erleben wir gleichzeitig eine Liebe zwischen den sich verhärtenden Fronten. Ishmaels Vater, der Zeitungsmacher Arthur Chambers (Sam Shepard) stand schon vor Kriegsausbruch mit seinem Einsatz für Menschlichkeit allein dar. So versteckte sich die junge Liebe zwischen den Wurzeln riesiger Zedern.
Mit seinem neuen Film - nach dem Gefühls- und Oscar-Hit
"Shine" - gelang Regisseur Scott Hicks ein
besonders filmisches Meisterwerk: Sehr elegante Verschachtelungen
bringen die Gegenwart und die sie bedingende Vergangenheit so
unzertrennlich zusammen, wie sie es im Empfinden sind.
Großartige Gefühls-Kompositionen gehen oft ganz in
Stimmung auf. Ein Höhepunkt dieser Form ist das Schreiben und
Empfangen eines Abschiedsbriefs, geschnitten mitten in den Kugelhagel
eines militärischen Angriffs. Wenn Ishmael in diesen Emotionen
untergeht, ist der Verlust der Arms eins mit dem Verlust der Liebe.
Staunend besieht er sich selbst, distanziert von seinem
Empfinden.
Diese Szenen sind gleichzeitig ungeheuerlich und sanft. Während auch konventioneller Mainstream alles zur Erzeugung solcher Gefühlsstrudel hergibt, darf dort der Pfad der realen Handlung nie verlassen werden. Scott Hicks und sein Kameramann Robert Richardson flachen mit Blicken durch Glasscheiben und über Spiegel immer wieder die Bildtiefe ab, so wie es der Petersburger Alexander Sukurov seit Jahren vorzaubert. Dazu kommen im Schnitt (Hank Corwin) ein neblig kaltes Blau-Grau der Rückblicke, auffällige Schwarzblenden, eher stimmungsvolle als aussagekräftige Detailaufnahmen. Die gesamte Symphonie aus Bild, Farbe, Ton, Klang ergibt einen langen Abschied im einzigartigen Erzählrausch.
Ganz nebenbei erschließt sich ein politischer Krimi: Japaner
durften in den USA lange kein Land besitzen, die Aufhebung dieser
Beschränkung stellte ein große Glück für sie
dar. Selbst viele arme Arbeiter sparten sich ihr Stück Land
zusammen. Die Verkäufer nutzen jedoch nach Pearl Harbour die
Internierung aller japanischen Amerikaner aus, um sich
rechtmäßig veräußertes Land wieder zu
ergaunern. Noch krasser wird der kollektive Betrug, durch die
Tatsache, dass viele wie Miyamoto derweil für die USA gegen
Deutschland kämpften.
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