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Die Stadt der Engel

USA 1998 (City of Angels) Regie Brad Silberling, 132 Min.

Für viele war es eine Offenbarung - für andereintellektueller Kitsch: WimWenders "Himmel über Berlin" zog Millionen Anhängerimmer wieder in die Kinos und jetzt hat sich auch Hollywood auf seineWeise begeistert.

Statt auf der Berliner Siegessäule sinnieren nun die Engelaus der Stadt der Engel, Los Angeles, auf Verkehrsschildern, anLandebahnen und Stränden. Schwarze Gestalten, die den Menschenbeim Tod Trost spenden und zwischendurch noch Zeit haben, Gedankender Lebenden anzuzapfen oder sich tiefgründig zu unterhalten.Zwar wurden einige Szenen - z.B. in der Bibliothek - nahezu identischnachgestellt, doch "Die Stadt der Engel" ist KEIN Remake von "DerHimmel über Berlin". Nur die gröbste Handlung wurdebloßgelegt, um sie zu verhunzen. Aus der Akrobatin wurde eineÄrztin (Meg Ryan), die während einer Bypass-Operation JimmyHendrix hört und beim Tod eines Patienten ganz leibhaftig dessenHerz in ihren Händen hält. Dieses Ereignis führt zuschwerwiegenden Zweifeln bei Maggie: "Wir kämpfen um das Lebender Menschen - aber gegen WEN kämpfen wir?"

Antworten könnte ihr vielleicht der Engel Seth (NicholasCage), der den dahinscheidenden Patienten abholte und sich dabeisterblich in die Ärztin verliebte. Nun werden die Engelüblicherweise nicht von den Menschen gesehen und gehört. Esgeht zwar ganz schön viel ab zwischen Maggie und Seth, doch derHimmelsbewohner ohne Flügel will mehr. Und vor allem:fühlen, was die Menschen fühlen. "Die Stadt der Engel"konzentriert sich hauptsächlich auf die reizvollunmöglichen Begegnungen zwischen Mensch und Engel. Er so liegtdem Genre der Engelfilme (mit "Ghost"oder "Made in Heaven") näher als der Vorlage. Dabei verzichteter fast vollständig auf laute Tricks und technische Spielereien."Stadt der Engel" fesselt mit dunklen, stimmungsvollen Bildern undsehr guten Dialogen, in denen etwa über das Wesen der Tränesinniert wird. Dann gibt sich die Dramaturgie aber schnell wieder dievolle Tränendrüse.

So rutscht ein sehr sorgfältig gemachter und reizvollfotografierter Film immer wieder ins Gewöhnliche ab. Demamerikanischen Nachbau fehlt vor allem die Leichtigkeit und derbeiläufige Humor des Originals. Die Handlung verläuftstellenweise beleidigend banal, etwa bei der Dreiecksgeschichte wieaus Highschoolfilmchen. Auffällig ist besonders dieEinschränkung auf duales Denken, auf ein "Entweder-Oder". Maggiemuß sich zwischen zwei Männern entscheiden, Seth zwischenErde und Himmel ... Das unterfordert Denken, Interesse und vor allemdie Phantasie. Dafür "funktioniert" der US-Film. Der genaueVergleich stellt "Die Stadt der Engel" als kalt kalkulierten,maßlosen, unsensiblen Anschlag auf die Gefühle bloß.Direkt zu Anfang rührt der Tod eines kleinen Mädchens anund so geht es weiter bis zum unverschämten Finale. Dasüberbietet alle vorherigen Anschläge auf dieTränendrüse, wenn kurz nach dem Erreichen desGlückszustandes Maggie für eine Überdosis Melodramüber den Haufen gefahren wird.

Während der amerikanische Wenders "AmEnde der Gewalt" wenigstens einige Ideen und Visionen zeigt,klammert sich der amerikanisierte Wendersfilm "Die Stadt der Engel"an Routine. Er kümmert sich mehr um die Bekehrung des Menschenzum Gläubigen als um die Menschwerdung eines Engels. Messinger(Dennis Franz), ein anderer gefallener Engel, zeigt als Argumentfür seinen Abschied von der Ewigkeit die Fotos seiner Kinder,der Enkelkinder und dann erst die seiner Frau - amerikanischeFamilienseligkeit. Dabei ist Messingers hemmungsloses Leben alsGenußmensch nach all den Ewigkeiten theoretischer Erfahrungviel überzeugender. Die Teller mit den ungesunden aber leckerenSpeisen samt Erdbeeren zum Nachtisch sagen mehr als vielekonventionelle Filmmeter.

Gott geht selbst für amerikanische Verhältnisse oftüber die Lippen der Figuren. "Die Stadt der Engel" bietetzynischen, modernen Wissenschafts-Menschen an, endlich ihrenGefühlen zu vertrauen. Der Film bezieht Position gegenmaterialistisches und atheistisches Denken. Als Alternative gibt esallerdings nur banale Familienseligkeit. Und irgendwann ist dann diefreie Gewissensentscheidung des Menschen plötzlich seinhöchstes Gut - als wenn die amerikanische Verfassung verfilmtwerden sollte. Nicht nur in seiner leicht durchschaubaren Moral, auchin der Dramaturgie, den stereotypen Konflikten argumentiert dasRemake sehr einseitig - vor allem im Vergleich zum poetisch offenenVorgänger. Das Gegeneinander von schwarzweißerEngelssphäre und farbiger Menschenwelt, das intensive,sinnreiche Erleben des neugeborenen Menschen fällt ranzigerRomantik zum Opfer. Wendersfand's gut. Dazu müßte man wahrscheinlich noch wissen, wasman ihm für die Rechte gezahlt hat.

Die Poesie verkaufte sich ans Melodram, nur um noch mehr Emotionenaus dem Publikum zu quetschen. Deshalb sei es hier schon verraten:Maggie stirbt am Ende - bätsch! Der ehemalige EngelskollegeCassiel meint später zu Seth: "So ist das Leben!" Falsch: So istHollywood!


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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