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Dani Levys Geschichts-Thriller "Meschugge"

Deutsch-jüdische Versöhnung

Es geht aufwärts. Das lang anhaltende Interesse des Preview-Publikums in vielen Städten korrigiert die destruktive Stimmung gegenüber "Meschugge", die vor Monaten beim Filmfest in Hof aufgebauscht wurde. Der Regisseur, Ko-Autor und Hauptdarsteller Dani Levy war Samstagabend nach einer Woche Kinotour sichtlich erleichtert. Beim Gespräch mit dem Filmkritiker Günter H. Jekubzik im Aachener Atlantis-Café erzählt Dani Levy von der langen Entstehungsgeschichte, den Hintergründen und den Reaktionen zu "Meschugge".

Es ist deutsch-jüdische Geschichte, an der er und seine - lange Zeit auch private - Partnerin Maria Schrader zehn Jahre lang gearbeitet haben: "Wir sind quasi mit der Geschichte ins Bett gegangen" - meinte er ganz ernst. "Meschugge" verbindet Spannung, Geschichtskrimi und eine mutige, andere Form von Holocaust-Thematisierung.

"Meschugge" beginnt mit einem Brandanschlag und den Rufen "Juden raus". Der betroffene jüdische Schokoladenfabrikant zeigt sich jedoch unberührt. Laut wird seine Enkelin Lena Katz (Maria Schrader). Sie wirft deutschen Autoritäten vor, sie würden die Judenverfolgung erneut geschehen lassen. Diese überzeugte Wut wird allerdings im Laufe der packenden Handlung in den tränenreichen Staub der Demut gedrückt, denn dieser Film heißt nicht nur, er macht auch "meschugge": Mehrmals wird gesagt "Nichts ist selbstverständlich" und diese Antithese zu ritualisierten Gewißheiten praktiziert der Film.

Zwar hat es schon früher Filme wie den "Marathon Man" gegeben, die auf einer großen Kinoebene mit dem Thema umgingen, meint Dani Levy, aber damals kam die Konfrontation unterschiedlicher Beteiligter des Menschenmordes nur als Motiv vor. Die Skrupel beim Umgang mit diesem Thema sind weniger geworden, aber sie seien immer noch spürbar. Intellektuell-moralische Schichten, vor allem unter Kritikern, hätten ihm vorgeworfen, der Film geht überhaupt nicht unseriös mit dem Thema um. "Ich finde, daß der Film sehr ehrlich mit der Geschichte umgeht."

In dem Film steckt auch die Biographie eines Nachgeborenen der Judenverfolgung. Dani Levy erzählt, daß 1939 seine Mutter - wie die verfolgte Familie im Film hieß sie Fish - unter dramatischen Umständen in die Schweiz geflohen sei. In Basel hätte Levy immer in einer jüdischen Umgebung gelebt, die, nachdem der Theaterschauspieler zur "Roten Grütze" nach Berlin wechselte, dort nicht vorhanden war. Das Leben mit deutschen Nichtjuden - der Schweizer Dani Levy sagt "mit Deutschen" - ist selbstverständlich. Deshalb ereifert sich Levy auch über die Behauptung einer Kritikerin, das glückliche Ende des Films mit einem jüdisch-nichtjüdischen Paar sei unrealistisch: "Ich habe immer nur mit deutschen Frauen zusammengelebt!"

"Schickse" wäre das freundlich spöttische Wort im Jiddischen für diese Frauen. Nach einer kleinen Nachhilfestunde in dieser alten Sprache, die Juden im weltweiten Exil vereint, verstand man auch die Anspielungen über die "Schickse-Nase" von Maria Schraders Figur im Film. Eine Retourkutsche auf die arischen Einordnungsversuche anhand "jüdischer Nasen"? Auf jeden Fall eine der vielen reizvollen Ecken und Kanten, mit dem der Film zum Weiterdenken provoziert.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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