Kitchen Stories

Norwegen 2003 (Salmer fra kjokkenet) Regie Bent Hamer 95 Min.

In den Fünfzigern eroberte Rationalisierung die Welt. Nachdem die Küchenwege der norwegischen Hausfrauen genauestens kartografiert wurden, sollen jetzt die männlichen Singles Schwedens untersucht werden. Ein Heer von neutralen Beobachtern fällt ins Land ein, und sie werden nicht nur Probleme mit dem Rechtsverkehr haben.

Der vorsichtige Feldforscher lebt im Wohnwagen neben dem Haus des Objektes, zwischen beiden darf kein Wort gewechselt, kein Kontakt aufgenommen werden. Der besonders scheue Junggeselle Isak (Joachim Calmeyer), Untersuchungsgegenstand des nüchternen Schweden Folke (Tomas Norström), zeigt sich tagelang nicht. Der vorsichtige Forscher näher sich mit einer Leiter und versucht das schüchterne Männlein mit Klopfgeräuschen an der Tür heraus zu locken. Die öffnet sich und vom mitgebrachten Hochsitz kann der Wissenschaftler endlich beobachten. Doch die zu verzeichnenden Wege in der Küche sind sparsam und keineswegs gradlinig. Der Proband erweist sich als widerspenstig und störrisch. Er nimmt Nahrung nur noch im Dunkeln auf, kocht sein eigenes Süppchen außerhalb der Küche. Auch zum Fluchen geht der gemeine Norweger aus dem Zimmer, wenn durch das Husten des Schweden eine Mausfalle zuschnappt. Und dann wird zurück beobachtet, ein Psychoterror mit tropfendem Wasserhahn und verhüllender Weißwäsche beginnt.

Schweden und Norwegen sind sich nicht besonders grün, der letzte Krieg mit unterschiedlichem Verhalten dies- und jenseits der Grenze liegt noch nicht lange zurück. Doch letztendlich passiert das Unerhörte: Der Beobachter spricht! Ein Kaffee schmolz das Eis, eine zögerliche Annäherung erfolgt. Ohne viele Worte zeigen sie erst Respekt, dann Freundschaft. Zärtlich deckt das Objekt nachts seinen Beobachter auf dem Hochsitz zu. Und von anderen Stellen des Feldversuchs werden schon Saufgelage gemeldet ...

Die Unschärferelation von Heisenberg schlägt auch hier gnadenlos zu: Der Beobachter beeinflusst das Objekt, selbst die verschlossenste Monade tritt in einen Dialog mit ihrem Mitmenschen. "Kitchen Stories" vollbringt eines dieser Film-Wunder, bei denen man nur staunen kann. Jede dieser sorgfältigst angelegten skurrilen Szenen geht zu Herzen. In der Beschreibung mögen sie simpel und banal klingen, aber in der Wirkung sind sie einzigartig. Es beginnt mit den mintfarbenen Trailern, dann die graue Anzüge, alles sehr harmonisch farbarm, trist aber schön. Die Herren Schauspieler spielen, als seinen sie für diese Rollen geboren.

Die Positivistische Methode, eine der seltsamen Stilblüten der Wissenschaft, sorgt für Dauerschmunzeln und einige herzliche Lacher. Dazu ein ganz sparsamer Musikeinsatz, als wenn der Film sagen würde, mehr brauch' ich nicht, ich bin auch so gut genug. Die Frage "Komödie oder Tragödie?" bleibt offen. Doch egal ob "Kitchen Stories" eine traurige Komödie oder eine lakonische Tragödie ist, sie erwärmt die Herzen.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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