Kama Sutra

USA 1995 (Kama Sutra) Regie Mira Nair, 114 Min.

Kama Sutra erteilt "Lehrstunden der Liebe", denn das bedeutet derTitel. Der Film zeigt, was Frauen mit Wissen um "die Liebe" erreichenkönnen - und was nicht. Er handelt weniger von erotischenStellungen als von der gesellschaftlichen Stellung indischer Frauengestern und heute.

"Kama Sutra" ist ein romantisches, indisches Märchen aus dem16 Jahrhundert. Es erzählt von zwei Freundinnen, die einePrinzessin, die andere Dienerin. Schon früh tanzt Maya (IndiraVarma) kunstvoller und aufreizender als ihre junge Herrin Tara(Sarita Choudhury). Dafür erhält sie wertvolle, schöneGeschenke - die meist schon von Tara getragen wurden. Doch vor TarasHochzeit kehrt sich die Situation um: Wie Tara wird jetzt mit einem"gebrauchten" Mann Mayas leben müssen! Die schöne Dienerinschlüpfte in das Zelt des königlichen Gatten Raj Singh undhinterließ bei ihm einen unvergeßlichen Eindruck. AlsZeichen der Entjungferung und des Betruges findet Taras Mutter keinBlut, sondern das rote Tuch Mayas im Bett des Königs. In dasGefühlsdrama mischt sich noch der mißgestaltete BruderTaras. Seine Gefühle erwidert Maya nicht und wird deshalb vomHof verstoßen. Als sie die Stadt verlassen muß,läuft ihr ein Schar Kinder entgegen - Maya entschreitet ihrerKindheit.

Nach einer verzweifelten Wanderung durchs Land vertieft sich Mayain die Liebeslehren der reifen und berühmten Rasa Devi, um alsKonkubine ihre Macht über die Männer auszuüben. DieBegegnung mit dem königlichen Bildhauer Jai entwickelt sich zueiner intensiven, doch einseitigen Liebesbeziehung. Aber auch derKönig Raj Singh wird über eine Statue Jais erneut auf Mayaaufmerksam gemacht ...

Wie in den früheren, sozial engagierten Filmen der InderinMira Nair "Salaam Bombay"(1988, Camera d'Or in Cannes) und "Mississippi Masala" (1991) stehterneut ein Frauenschicksal im Zentrum - die stolze Maya sagt vor derKulisse Indiens im 16 Jahrhundert "Ich nehme mein Schicksal in meineeigenen Hände!"

Mira Nair studierte in New York Film und drehte danachDokumentationen. So ist "Kama Sutra" gleichzeitig aktuellgültiges Sozialstück und ein romantisches, traditionellesMärchen - das allerdings weit entfernt ist von demwunderbar-bunten Kitsch typisch indischer Melodramen. (Eine Ahnungvermitteln die indischen Soap-Operas, die über den SatellitenAstra zeitweise unverschlüsselt zu empfangen sind.)

"Kama Sutra" erzählt viel über Frauenrollen undGesellschaftsstände, zeigt wie selbst Prinzessinnen vomBesitztum des Vater in das des Ehemannes übergehen. Der Film istsehr farbig und sinnlich, vielleicht als Vorübung drehte MiraNair einen erotischen Kurzfilm für Arte. Entgegen vielenErwartung bietet "Kama Sutra" keineswegs eine Bildersammlungsexueller Stellungen. Es geht um Liebe, das harmonische Miteinandervon körperlicher und seelischer Vereinigung. Die Hochzeitsnachtdes Königs mit Tara verläuft grob und ungeschickt, ganzanders, als es Rasa Devi nach dem Kama Sutra lehrte. Wesentlichkunstvoller lenkt Maya den Herrscher, als sie als Konkubine an denHof einzieht. Die Erkenntnis: Zwar kommen die Frauen mit denKünsten der Liebe eher an ihr Ziel, doch glücklich werdensie auch nicht, nur stark.

Auf der anderen Seite ein leicht differenziertes Männerbild:Ein übermütiger, vermessener König, nur an Fraueninteressiert und seine Pflichten vernachlässigend. Jai war einstebenso, die Liebe zu Maya wandelte ihn jedoch.

Vor diesem interessanten Hintergrund kann die Story ruhig richtigschön trivial sein: Der Bildhauer Jai ist nicht nur dieKrönung der vielen gut gebauten, dunkelhäutigen Männermit dunklen Haarprachten. Als verheimlichter Sohn einer Konkubine desalten Königs, wäre er sogar der erstgeborene Thronfolger.Die Rivalität zwischen Jai und Raj spielt sich auf mehrerenFeldern ab. Doch Jai darf nur verlieren, der königlicheBildhauer endet in Ketten als Steinmetz.

Für indische Verhältnisse stellt "Kama Sutra" mit nureinigen Nacktszene eine gewaltige Provokation dar. Mira Nairmußte vor Gericht gegen eine Zensur vorgehen, die ganze 15Minuten Film wegschneiden wollte.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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