Der Kaiser und sein Attentäter

Japan/China/Fr 1998 (The Emperor And The Assassin) Regie Chen Kaige, 163 Min. FSK ab 12

Der erste Kaiser - das Letzte!

Hmm, was Leckeres Chinesisches ... Denkste! Schlimmer als der Geschmacksverstärker im China-Restaurant stößt die politisch versalzene, staatlich abgesegnete Schlachtplatte von Chen Kaige auf. "Der Kaiser und sein Attentäter" erweist sich gegen alle Hoffnung auf diesen äußerst fähigen Regisseur als ein nationalistischer Einheitsbrei.

Der Kern des historischen Epos ist eine komplexe Intrige. Im 3. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung sieht sich der Kaiser Ying Zheng als großer Zusammen-Führer der chinesischen Völker. Die Reiche fielen Jahrhunderte lang wie die Kegel, statt Hunderter Länder sind jetzt nur noch sechs weitere einzukassieren. Im Machtspiel des Qin-Herrschers ergreift seine selbstbewußte Braut Zhao (Gong Li) Initiative, opfert die elfenbeinerne Schönheit einer Wange, um als gebrandtmarkter Flüchtling im Feindesland der Yan einen Attentäter aufzuhetzen und so den Vorwand für einen weiteren Krieg zu provozieren.

In den langen Zeitspannen des Monumentalfilms - des teuersten der chinesischen Geschichte - ändern sich die Motive. Das Wesen eines gnadenlosen Superkillers wandelt sich zum schuldbeladenen Lämmlein. Mit welchen Absichten er schließlich doch zum Kaiser kommt, ist nicht eindeutig und sollte daher spannend sein. Vor allem die Rolle Gong Lis (Lady Zhao) bietet Anlaß zu Heldentum und Opferbereitschaft, Leid und Hass. (Für die Klatschspalte: der Superstar beendete die sehr produktive Ehe mit Chen Kaige und läuft jetzt neben Andie MacDowell und Claudia Schiffer als Loreal-Gesicht auf.) Als Lady Zhao gibt sie sich dem fremden Herrscher hin, stützt seinen Imperialismus bis die Zhao, ihr eigenes Volk, im Kriegsgemetzel niedergemacht werden. Also genug Psychodrama für fast drei Stunden packenden Film, doch alle Ansätze gehen im pompösen, völlig unzeitgemäßen Staatsspektakel unter. In Cannes gab es den Großen Technik-Preis, dabei sieht so mancher angeklebte Bart, das eine oder andere Hofgewand billig aus. Da reichten wohl die reichlichen Mittel doch nicht ganz aus. Welch ein Gegensatz zu den einfach gehaltenen und wesentlich eindrucksvolleren früheren Filmen Chen Kaiges.

Hier wird Einheit um jeden Blutpreis beschworen und dieser große Gedanke watet tief durch Leichen. Frieden schaffen mit immer mehr Waffengängen lautet die Moral. In Tibet oder Taiwan dürfte der Film kein Hit werden. Denn die ignorante Phrase "Die seh'n ja alle gleich aus ..." sollte man auf keinen Fall auf die verschiedenen "Chinas" und deren Filme drücken. Die Volksrepublik, das ehemalige Hongkong und Taiwan produzierten bislang unter völlig unterschiedlichen Bedingungen "chinesische Filme". In den letzten Jahren gab es trotz der immer noch verhärteten politischen Fronten auf dem Film-Sektor einiges an Zusammenarbeit, sprich Koproduktionen. Wobei vor allem Hongkong jahrelang eine sehr produktive Filmindustrie hatte, die sich von den so berüchtigten Kung Fu-Filmen emanzipierte. Die kommunistische Übernahme bedeutet zwar nicht das Ende des Hongkong-Films, doch irgendwie sind die kontrollierten Filmprodukte Chinas nicht mit der florierenden und kreativ wild ins Kraut schießenden Industrie Hongkongs zu vergleichen.

Dass die Volksrepublik nicht nur kräftig Waffen, sondern auch filmische Ideologie produziert, verwundert nicht. Weshalb der als Autorenfilmer international gefeierte Chen Kaige sich dazu bereit stellt, bleibt rätselhaft. Im Film selbst hängt er sich als einflußreicher Premierminister auf, der nicht nur seine Finger im Staatsspiel hatte.

Kinder des Drachen -

Das Buch von Chen Kaige

Der 1952 in Peking geborene Regisseur wurde mit eindringlichen Filmen wie "König der Kinder" (1986), der Parabel "Die Weissagung" (1991) und dem historischen "Lebewohl, meine Konkubine" (1993) international bekannt. Das Melodram "Verführerischer Mond" lief 1996 dann nur noch aufwendig in Kostümen, Kulissen und Kamerafahrten ab. Nach früheren Kunstwerken drängte sich Handwerk ins Bild, das Thema blieb allgemeiner, das Drama klischeehaft. "Die Weissagung" war in vieler Hinsicht eindrucksvoll: Kräftige Farben, eine sinnvolle Natur-Szenerie und vor allem die Musik, der tiefe, kehlige Gesang des blinden Meisters und die opernhaften Chöre führen zu großen, unvergeßlichen Kinomomenten mit Schauern und Gänsehaut. Die blutigen Kämpfe zwischen zwei Dörfern, anfangs besänftigt durch die Kraft des Gesangs, erzwangen einen Aufschrei der Verzweiflung.

In "Lebewohl meine Konkubine" meisterte Chen Kaige sowohl die intimen Geschichten dreier Figuren als auch ein breites historisches Fresko. Quasi der genaue, königliche Film, den er mit seinem "Attentäter" brutal abschlachtet. Man muss auf Veränderungen in China hoffen - auch damit Chen Kaige wieder anständige Filme macht!


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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