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Illuminata

Es war eine Herzensangelegenheit für John Turturro: "Illuminata" ist nach "Mac" die zweite Regie des Schauspielers und erneut ein sehr persönlicher Film. In der Theaterszene New Yorks zu Beginn unseres Jahrhunderts angesiedelt, spielt das nicht gänzlich gelungene, aber sehr bemerkenswerte Kunst-Werk die Suche nach dauerhafter Liebe auf den Bühnen von Kunst und Leben durch.

Tuccio (John Turturro), ein verkannter Autor, nutzt den Schwächeanfall eines Schauspielers auf offener Bühne, um spontan sein eigenes Stück anzukündigen. Da Tuccios Frau Rachel (Katherine Borowitz) der Star der Truppe ist, gelingt der Überraschungcoup. Die sofort folgende Premiere von "Imperfect Loves" fällt allerdings durch. Im zweiten der drei Akte des Films entspinnt sich nun ein emsiges Treiben mit dem Ziel, dem Stück eine weitere Chance zu ermöglichen. Tuccio reitet zu Celimene (Susan Sarandon), der großen, exzentrischen Diva der Theaterszene, bereit, sich für ein gutes Wort hinzugeben. Der schwule Theaterkritiker Bevalaqua bittet einen Nebendarsteller, den er zum Zentrum allen Handelns erkor, ins Separee. Losgelöst vom Dilemma "Brot oder Kunst" frönt die Theaterdirektorin derweil der Üppigkeit. Und auch die beiden anderen Rendezvous dieser turbulenten Nacht zehren eher von persönlichen Leidenschaften. Nur die hehre Rachel besucht ihren inhaftierten Vater.

"Moral war nie gefragt in unserer Welt aus künstlichen Kulissen"

Im stilleren, emotional verkaterten dritten Akt vermischt sich das von den Ereignisse der vergangenen Nacht erfüllte Eifersuchtsstück auf der Bühne mit dem Eifersuchtsdrama der Akteure. Ein Gerücht über Tuccios Weggang nach Paris sorgt für zusätzliche Aufregung und nun spielt sich endgültig hinter den Kulissen wesentlich mehr Theater ab als auf der Bühne. Das Finale vereint die Untreuen in sanfter Vergebung, wird zur Huldigung der "nicht perfekten" Liebe.

Es fällt nicht schwer, von einzigartigen Momenten dieses Films zu schwärmen. Kunstvoll tritt schon der Vorspann mit den frappant lebensnahen Stabpuppen auf. Die beim Theatervolk übliche Aufregung mit viel Hin und Her, Mißverständnis und großen Emotionen sorgt für Humor und Geschwindigkeit. Ihr bestes Spiel zeigen die Akteure hinter dem Vorhang. So wird etwa die Verhaftung eines Ensemblemitglieds derart dramatisch angereichert, daß schließlich die Polizisten selbstvergessen Applaus klatschen. Auch in einer Zeit, in der starreiche Casts in der Tradition von Robert Altman an der Tagesordnung sind, beeindruckt die Darstellerriege von "Illuminata" vor allem mit exzentrischen Rollen. Christopher Walken vergnügt als schillernd dekadenter Theaterkritiker Bevalaqua ebenso wie Susan Sarandon als relitätsferne Diva.

Während üppige Ausstattung und ein immer wieder poetischer Stil romantisierend wirken, viele Figuren im Kern altbekannte Typen beleben, ist die zentrale Person Tuccios sehr selbstkritisch gezeichnet. Das in ihrer Liebe von der Zeit bedrohte Paar Tuccio/Rachel wird gespielt von Turturro und seiner Ehefrau Katherine Borowitz. Für Turturro ist "Illuminata" ein "sehr ernster Film in der Form einer Farce", der nicht vom Verlieben handelt, sondern von dem was nachher passiert, am Tag danach, am Wochenende danach. Und auch ein Film über die Gefahren einer öffentlichen Beziehung.

ohn Turturro ist als Darsteller mit Spike Lees Filmen bekannt- und als "Barton Fink" berühmt geworden. Zahlreiche kleine Nebenrollen wie zuletzt bei "The Big Lebowski" oder "Grace of my Heart" werten die jeweiligen Filme auf, seine gebrochenen Figuren tragen die Essenz von Redfords "Quiz Show" oder Rosis "La Tregua".

"Illuminata" ist eindeutig ein selbstreflexives Kunst-Werk, das Erfahrungen vom Filmset auf die Bühne bringt. Gleichzeitig bietet Turturro ein doppeltes Vexierspiel von Kunst und Realität: Die Gefühle auf der Bühne reflektieren laut Textbuch das Leben, der Funke springt aber erst über, wenn die Schauspieler im Stück die passenden Sätze für ihr persönliches Leben finden. Ein altes Sujet, das durch "Shakespeare in Love" neuerlich populär wurde

Turturros Regiedebüt "Mac" erhielt 1992 die "Camera d'or" in Cannes. Der verlustreiche Aufstieg eines italienischen Zimmermannes in den USA war eine Ehrbezeugung an Turturros Vater. "Illuminata" lief 1998 im Wettbewerb von Cannes. Nach dem eher konformen "Mac" zeigt "Illuminata" deutlicher Profil, reiht sich ein bei den jüngeren eindrucksvollen Regiearbeiten prominenter Schauspieler wie Tim Roth (The War Zone) oder Gary Oldman (Nil by mouth). Es scheint, daß der Starbonus in der Filmproduktion Freiheiten zuläßt, die im Studiosystem ansonsten wegkalkuliert werden.

Zu den unübersehbaren Hinweisen auf ein persönliches Werk gehört auch der rustikal italienische Touch der Theatertruppe. Er bringt wilde Hektik in die Ereignisse. Im Wechsel der Geschwindigkeiten gelingt zeitweilig ein stimmiges Zusammenspiels von Bühnenaktion, persönlichen Geschichten der Akteure und filmischen Formen. Aber letztendlich finden die vielen bewundernswerten Einzelszenen nicht zu einem emotional einheitlichen, gelungenen Werk zusammen.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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