L'humanité

Fr 1999 (L'humanité) Regie: Bruno Dumont, 148 Min.

Ein bemerkenswertes Rätsel ist dieser Mensch und sein Film: Pharaon De Winter (Emmanuel Schotté) untersucht als Polizist in der nordfranzösischen Provinz den Sexualmord an einem kleinen Mädchen. So müßte ein konventioneller Film beschrieben werden. Doch die Reaktionen, die dies Ereignis bei dem seeeeehr laaaaaangsaaaaamen Meeeeeeenschen hervorrufen sind minimale Ausschläge ins Sonderbare. Pharaon tut wenig. Mal befühlt, beschnüffelt, er die Verdächtigen, so als wolle er das Böse in sich aufsaugen, es verschlingen und mit seiner Weichheit ausgleichen.

Der mit Laien gedrehte Film wirkt roh im Schnitt - passend zur Gegend, in der er spielt. Es ist wieder so eine nordfranzösische Reihenhausstraße, an der Pharaon steht, mit der Nachbarin Domino (Severine Caneele) redet und deren Liebesleben mit dem groben Freund ganz nahestehend verfolgt. Wieder so eine Dorfstraße wie in "La vie de Jesus", dem ersten bemerkenswerten Werk, das Regisseur Bruno Dumont bekannt machte und den Prix Jean Vigo erhielt.

Zusammen mit Domino und dem Freund besucht Pharaon die nahegelegene Kanalküste oder geht essen. Ein tristes Leben, das den stillen Protagonisten, der bei seiner Mutter lebt, scheinbar beglücken könnte. Außer diesen schalen Fragmenten eröffnet der Film viele Rätsel, deutet psychologisch nur an: Mit dem Porträt des malenden Ur-Großvaters gegenüber Pharaons Bett. Mit der Schlußeinstellung, die den Polizisten in Handschellen zeigt, obwohl der Verlauf der Untersuchung damit nicht zu tun haben kann. Und vor allem mit der zentralen Szene, in der Pharaon, nachdem er wie so oft zum Berg des Verbrechens blickte, plötzlich einen halben Meter über dem matschigen Boden des Schrebergartens schwebt.

Die Darsteller Emmanuel Schotté und Severine Caneele erhielten in Cannes 1999 die Darstellerpreise und vor allem Pharaon kann man lange ins staunende Gesicht mit den großen Augen blicken. Mit dieser ungewöhnlichen Inszenierung erschüttert "L'humanité" nachhaltig. Der Film bekam in Cannes verdienterweise den "Großen Preis der Jury".

Wie ein Hohn auf die eindringliche Langsamkeit des Films rast der Tunnelzug Eurostar durch die Landschaft - aber bei der Befragung der Passagiere ergibt sich ein frustrierendes Ergebnis: Sie haben nichts gesehen! Geschweige, gehört, gerochen, gespürt .....


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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