|
Ein Hauch von Sonnenschein
Ungarn/Kanada/Ö/BRD 1999 (A Taste of Sunshine) Regie István Szabó, 180 Min. FSK ab 12
Die Wendungen der Geschichte formen die Menschen in ihr. Aber auch Menschen machen Geschichte. Kein Wunder, dass sich für Historienfilme eine Form anbietet, die persönliche und politische Wendepunkte verknüpft. Da stirbt der Kaiser der K.u.K-Monarchie zeitgleich mit dem Familienoberhaupt Emmanuel Sonnenschein, da taucht Ewigkeiten später der sozialistisch angehauchte Sohn Gustave mit den kommunistischen Befreiern auf.
Doch zurück zum Anfang: Mit einem Schluck (nicht "Hauch" wie im Titel) vom Kräuterlikör der jüdischen Sonnenscheins stellt sich wirtschaftlicher Erfolg ein, von dem die Familie noch Generationen zehrt. Emmanuel ist überzeugt, Juden sollten der Macht und der Lust entsagen. Aber das meint er, nachdem er sich nach versagter Liebeshochzeit jedes Glück verkniff. Der Sohn Ignatz (Ralph Fiennes) beginnt ein Verhältnis mit Cousine Valerie, die als Schwester im Hause Sonnenschein aufwuchs. Als staatstragender Jurist bleibt er auch noch Ende des Weltkrieges glühender Anhänger der Kaisers und seiner (für die Juden) sicheren Ordnung.
Dafür tauschte er den Namen Sonnenschein gegen den ungarischeren "Sors" ein. Doch langsam wird klar, dass dies nicht das Jahrhunderts der Liebe, Gerechtigkeit und Toleranz werden wird. Die Justiz macht Ignatz zum Menschen ohne Gefühle, sein große Liebe Valerie verläßt ihn, eine Tasse geht zu Bruch. Damit neigt sich die erste Runde des Films. Zwei weitere werden folgen, immer spielt Ralph Fiennes den hoffnungsvollen, erfolgreichen Mann im System, immer opfert er ein Stück von sich und von den Sonnenscheins, immer wird er enttäuscht und letztlich als Jude verfolgt. Ralf Fiennes wird sich dreimal verlieben, wird drei mal zum Opportunisten.
Die nächste Generation gibt den Glauben auf - für den sportlichen Erfolg. Ignatz Sohn Adam ist Landesmeister im Fechten, für den antisemitischen Offiziersclub holt er 1936 die Goldmedaille bei der Olympiade der Nazis. Das faschistische Ungarn können nur drei aus der Familie Sonnenschein überleben. Adams Sohn Ivan wird für die kommunistischen Befreier zum Faschistenjäger. Dahinter steht sein eigenes Trauma, beim KZ-Mord am Vater nichts getan zu haben. Doch obwohl er wie alle seine Vorgänger steile Karriere macht, als Opportunist eine perfekte Assimilation betreibt, sogar seinen väterlichen Förderer Knorr (William Hurt) verhört und foltert - am Ende wird ihn Stalins 'Antizionismus' ins Gefängnis bringen.
Aus den drei Stunden Film zieht man schließlich ein paar
simple Lehren der Geschichte. Dieser "Sonnenschein" erwärmt
nicht. Die große historische Skizze, wie sie der Ungar
István Szabó in seinen Literaturverfilmungen "Oberst
Redl" oder "Mephisto" verfilmte, wirkt konstruiert. Figuren
verkörpern Thesen und politische Standpunkte, keine Menschen.
Das wohlgemeinte und bemühte Werk bleibt ähnlich blutleer
wie die "Fiorile", eine Familiengeschichte der Brüder Taviani.
Außer historischen Eckdaten kommt bei der multinationalen
Produktion mit einem Haufen US-Schauspielern nur wenig
Eigentümliches zu Ungarn rüber. Das wirkt so echt ungarisch
wie die Tüte Chips von der Kinokasse, Geschmacksrichtung
'ungarisch'. Schade, dass sich Szabó nicht den schonungslos
offenen Blick der Nachwende von "Süße
Emma, liebe Böbe" erhalten hat.
|
|
![]() |
![]() |
Rubriken
- Berlinale 2006 (13)
- Berlinale 2007 (11)
- Berlinale 2008 (4)
- Berlinale 2009 (11)
- Berlinale 2010 (14)
- Berlinale 2011 (14)
- Berlinale 2012 (17)
- Berlinale 2013 (3)
- Berlinale 2014 (6)
- Cannes 2006 (3)
- Festivals (61)
- Impressum (1)
- Kritiken (15)
- Kritiken GHJ (2209)
- Kritiken LT (524)
- Locarno 2005 (5)
- Locarno 2010 (4)
Über
filmtabs
- Das erste Online Filmmagazin Deutschlands, seit 1996 - Über 3000 Artikel, Kritiken und Festivalberichte.
Es gibt 2,811 Artikel und 127 Kommentare.
Aktuell
- 26.11 The Green Prince
- 26.11 Der Koch
- 26.11 Auf das Leben!
- 26.11 Das Verschwinden der Eleanor Rigby
- 25.11 The Zero Theorem
- 24.11 Das Verschwinden der Eleanor Rigby
- 24.11 The Green Prince
- 24.11 The Zero Theorem
- 24.11 Kill the Boss 2
- 19.11 Die Legende der Prinzessin Kaguya
- 19.11 Keine gute Tat
- 18.11 Höhere Gewalt (2014)
- 18.11 Ein Schotte macht noch keinen Sommer
- 17.11 Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 1
- 17.11 Bocksprünge