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Gadjo Dilo

Frankreich/Rumänien 1997 (Gadjo Dilo) Buch und Regie TonyGatlif, 101 Min. mit Romain Duris, Izidor Serban, Rona Hartner

Eine kalte Winternacht. Vor einer abgelegenen Polizeibude irgendwoim rumänischen Nirgendwo hocken zwei Männer. Der alte RomaIzidor (Izidor Serban) jammert, flucht, klagt und säuft: SeinSohn wurde verhaftet und sitzt im Knast. Der junge Franzose Stephane(Romain Duris) versteht nichts, trinkt aber halberfroren gerne mit.Am nächsten Morgen ist das Zigeunerdorf in heller Aufregung -ein Fremder liegt im Bett des Dorfältesten Izidor. Jung und altsteht mit angstvoller Scheu vor der Hütte - wird der langhaarigeWeiße einen Fluch aussprechen? Nachdem sich der verkaterteIzidor sehr, sehr langsam und leise erinnern kann, darf Stephanebleiben. Doch die Vorbehalte der Dorfbewohner sind noch lange nichtausgeräumt, denn "Gadjo Dilo" kehrt auf freche Weise bekannteVorurteilen um: So sind die Bewohner des Dorfes beim Auftauchen desFremden sehr beunruhigt und schauen erstmal nach, ob zuhause nichtsgeklaut wurde! Auch legen sie viel Wert darauf, daß er sich malgründlich wäscht. Stephane und Izidor sprechen nicht diegleiche Sprache, sie verstehen sich aber doch - manchmal. DerFranzose sucht eine bekannte Romasängerin, Nora Luca, derenMusik sein Vater und nun auch er immer wieder von einer Kassettehören. Es dauert eine Weile bis der Konservenmensch begreift,daß hier noch andere Frauen derart bis in Innersteanrührend singen können. Ja, daß hier jeder seineMusik über irgendein Instrument herauslebt. Irgendwann erkenntder lachende, freundliche junge Mann auch die wilde, neugierige,aufbrausende Sabina (Rona Hartner), die ihm bei der Suche nach NoraLuca hilft. Zuerst verspotteten Stephane buntbekleidete Frauen mitGoldzähnen in ihrem breiten Lachen und viel Stolz in ihreraufrechten Haltung. Jetzt ist er wie ein (Ersatz-) Sohn fürIzidor, singt tanzt und lebt zusammen mit den anderen.

"Gadjo Dilo" ist einer der wenigenFilme, die das Publikum auf der Seite des Fremden mitfühlenlassen. So lernt Stephane die Sprache seiner Gastgeber und nichtumgekehrt. Nur Sabina hat früher in Belgien etwasFranzösisch gelernt. Gadjo Dilo heißt in der Sprache derRoma tatsächlich "Verrückter Fremder". Der sagenhaftlebendige Film ist letzter Teil einer Trilogie, dem "Les Princes" und"Latcho Drom" voranging.

"Gadjo Dilo" gewann 1997den Silbernen Leoparden und die ungeteilte Begeisterung des Publikumsin Locarno. Das ergreifende und mitreißende Vergnügenlebt von und mit der Musik, die tief aus dem Herzen und aus dem Bauchkommt. Im Moment größten Glücks und tiefster Trauerist dieser Gesang der Seele am stärksten. (Wenn in DorisDörries "Bin ich schön?" ein alter Spanier, der aussiehtwie Dietmar Schönherr, seine Trauer heraussingt, muß mansich erneut Gedanken machen, ob eine angeblich zivilisierte, stilleArt der Trauer überhaupt gesund sein kann ...) Dieherzerfrischende Komödie idealisiert vielleicht das freie undintensive (Er-) Leben der Roma. Ganz kann sich "Gadjo Dilo" abernicht von Rassismus, Fremdenhaß und Gewalt abkehren. Der Filmvoller Kraft und Leben zeigt außer Duris und Hartner, die sichüber ihre Rollen sehr nahe gekommen sein sollen, nurrumänische Laiendarsteller.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik