Locarno 2004 - Special

Festivalberichte von Oliver Schiffers und Günter H. Jekubzik
57. Festival internazionale del Film Locarno 2004
Leoparden für Hamburg und NRW
Türkisch-stämmige Hamburgerin erhält Silber-Trophäe
Locarno. Die Piazza Grande von Locarno erwies sich wieder als gute Pflaster für deutsche Filme. Beim 57. Festival Internationale di Locarno wurde "En Garde" der in Hamburg lebenden Regisseurin Ayse Polat mit dem Silbernen Leoparden für den zweitbesten Wettbewerbsfilm ausgezeichnet und erhält ein Preisgeld von 30.000 Sfr (ca. 20.000 Euro). Den beiden jungen Darstellerinnen des Jugendheimdramas Maria Kwiatkowski und Pinar Erincin gab die Jury ex eaquo einen Leoparden als beste Hauptdarstellerinnen. Der Publikumspreis des allabendlichen Open Air-Events auf der Piazza Grande ging an "Die syrische Braut" von Eran Riklis, eine deutsch-französisch-israelische Koproduktion, an der die Kölner Produzentin Bettina Brokemper (Neue Impuls Film) und die Filmstiftung NRW beteiligt waren.
Der mit 90.000 Sfr (ca. 60.000 Euro) dotierte Goldene Leopard, ging an den italienischen Film "Private" von Saverio Costanzo. Wie einige wichtige Beiträge des Festivals drehte sich auch dieses Drama um die Besetzung der Palästinenser-Gebiete durch Israel: Auf der Grenzlinie des Konflikts weigert sich Mohammad gewaltlos der Okkupation seines Hauses durch die israelische Armee zu weichen. Das Haus wird in drei Bereiche aufgeteilt: Im Aufenthaltsraum wird die Familie nachts eingesperrt; im Erdgeschoss hält sie sich tagsüber auf, und im ersten Stockwerk beziehen die Soldaten ihr Lager. Die Gefangenen in diesem Mikrokosmos reagieren unterschiedlich auf die klaustrophobische Situation. Regisseur Costanzo arbeitete vier Monate mit israelischen und palästinensischen Schauspielern. Mohammad Bakri erhielt hier den Leoparden als Bester Darsteller. Am Ende bleibt die Situation offen, ebenso wie im Publikumsliebling "Die Syrische Braut", wo eine junge arabische Frau aus Israel wegen territorialer Streitigkeiten und kafkaesker Bürokratie einsam im Niemandsland zurückbleibt.
Einsamkeit ist das Thema der anderen großen Entdeckung des Festivals: "Tony Takitani" erhielt den Spezialpreis der Jury, als Film, der den Gedanken der Verständigung zwischen den Völkern und den Kulturen am stärksten zum Ausdruck bringt. Die kongeniale Murakami-Verfilmung des bekannten japanischen Regisseurs Jun Ichikawa ist konzentriert stilsicher mit extrem sparsamen Bildern und zurückhaltenden Piano-Klängen (Ryuichi Sakamoto). Den so treffend übertragenen Text übernehmen im originellen Wechsel mal der Erzähler, dann die Figuren. Der Illustrator Tony Takitani ist ein sonderbarer, detailverliebter Mensch, der sich nach langer in eine junge Frau verliebt. Eiko füllt ihre innere Leere mit Kleidern, am liebsten Designermode.
Auch in der Kritikerwoche erhielt ein deutscher Film den Hauptpreis: "Touch the Sound" von Thomas Riedelsheimer ("Rivers and Tides") porträtiert die Arbeit der seit ihrer Kindheit tauben schottischen Perkussionistin Evelyn Glennie auf fesselnde Weise.
Am Ende waren alle zufrieden, selbst die Sonne strahlte nach einem völlig
verregneten Festival wieder: Die Juryentscheidungen beim 57. Internationalen
Filmfestival von Locarno wurden allgemein mit Wohlwollen aufgenommen. In
der Internationalen Jury war auch Schauspieler Udo Kier, der "Kölsche
Jung" in Hollywood, vertreten. Festivaldirektorin Irene Bignardi, die im
Gesamtprogramm wieder politische Schwerpunkte setzte, war über die Entscheidung
sicherlich glücklicher als über einen flapsigen Kommentar des Jurymitgliedes
und Kritikers David Robinson: Es gäbe international höchstens zwölf
gute Filme im Jahr, sie hätten in Locarno gerade genug gehabt, um alle
Preise loszuwerden! Ganz so schlimm war es nicht. Allerdings folgt Locarno
mit Animationen im Wettbewerb und einer politischen Dokumentation auf der
Piazza dem Trend von Cannes und muss den Star-Sog von Venedig schmerzlich
spüren.
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