Locarno 2004 - Special


Festivalberichte von Oliver Schiffers und Günter H. Jekubzik


57. Festival internazionale del Film Locarno 2004
4. - 14. August 2004

Exzellente Produzenten

Während der Wettbewerb ohne Highlights vor sich hindümpelt, überzeugt das Piazza-Programm bei den 57. Internationalen Filmfestspielen Locarnos. Die israelisch-deutsche Ko-Produktion "Die syrische Braut" erzählt von einer Hochzeit auf den Golan-Höhen, der für die Braut der traurigste Tag ihres Lebens ist.

In einem Gebiet, das seit 33 Jahren von Israel besetzt ist, gehen die brutalen Trennungen durch die drusischen Familien. Mona soll heiraten, die ganze Familie ist für die aufwändige Feier eingespannt. Ein Bruder kommt nach acht Jahren erstmals aus Russland nach Hause, ein anderer von undurchsichtigen Geschäften aus Italien, der dritte lebt schon hinter der Zaun in Syrien und hat die Verbindung mit dem Bräutigam, einem syrischen Soapstar arrangiert. Aber Monas Gesicht drückt unendliche Trauer aus, denn beim Grenzübertritt nach Syrien verliert sie die israelische Staatsbürgerschaft, wird Syrierin und kann wie viele nur noch mit dem Megaphon mit ihrer Familie sprechen. Vor der eigentlichen Hochzeit kommt es zwischen Zäunen, Stacheldraht und Schlagbäumen zu einem Grenzkonflikt um einen Stempel im Ausweis. Eine grausame Bürokratenposse lässt die einsame Braut im vollen Ornat heimatlos im Niemandland zurück.

Mit exzellenten Schauspielern gelang dem israelischen Regisseur Eran Riklis ("Cup Final") eine bewegende Geschichte unserer Zeit. Die deutsche Produzentin Bettina Brokemper, die auch schon mit Lars von Trier zusammenarbeitete realisierte die Beteiligung der Neue Impuls Film und die Förderung der Filmstiftung NRW.

Die Filmstiftung ist nach dem Publikumsliebling "Das Wunder von Bern" im vergangenen Jahr auch 2004 wieder stark vertreten: In der Videosektion läuft der Film "Egoshooter" von Oliver Schwabe und Christian Becker. Die Geschichte von Jacob, der einvernehmlich mit seinem älteren Bruder zusammenlebt, bis er dessen Freundin begehrt, entstand im Rahmen der Reihe "Radikal Digital", bei der die Filmstiftung NRW und der WDR jungen Regisseuren ermöglichen, mit neuen, digitalen Techniken zu experimentieren. In seinem Debütfilm "Cattolica" hat Regisseur Rudolph Jula die Geschichte zweier ungleicher Brüder inszeniert, die sich auf die Suche nach ihrem Vater begeben. Die Kölner Lichtblick produzierte die deutsch-schweizerische Koproduktion.

Ein andere deutscher Produzent erhielt schon Mitte der Woche eine erste Auszeichnung. Auf der Piazza Grande wurde Karl Baumgartner der "Premio Raimondo Rezzonico für den unabhängigen Produzenten des Jahres" überreicht, der mit 10.000 Schweizer Franken dotiert ist. Der von Kollegen "Baumi" Genannte war noch nicht zwanzig, als er in Rom als Regieassistent und Kritiker zu arbeiten begann. 1981 gründete er den Pandora-Verleih, dem bald auch die Pandora-Produktion folgte. Unter seiner Obhut entstanden Filme von Jim Jarmusch, Aki Kaurismäki und Emir Kusturica. Sein größter Erfolg war Jane Campions "Das Piano" mit zwei Millionen Zuschauern. Sein letzter großartiger Film war "Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling", der auch in Locarno lief.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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