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Die Hymne

Deppen und andere Gäste 

Da waren sie wieder die Schreie in den hohen Stimmlagen, diesmal ausgelöst durch den Jungstar Johnny Depp, der die stetig wachsende Menschenmenge auf der kilometerlangen Filmkirmes elektrisierte. Er zeigte sich als tragisch-tapferer Indianer in seinen teilweise gelungenen Regiedebüt "The Brave". Depp ließ sich den Film von einem alten Indianer segnen und holte sich den Geist der Revolution mit einem Gastauftritt von Marlon Brando. Ja, auch der alte Herr war in jungen Jahren ein ganz Wilder und scheint jetzt die Flamme des wilden Blicks endgültig abzugeben. Schon in zeigte Depp einen Hang zur roten Haut. Jetzt schlüpfte er ganz in sie, um sich - reich mit Jesus' Wundmalen ausgestattet - für Frau und Kind zu opfern.

Die fanatische Jagd nach Johnny erstreckte sich fast über die ganze Cote d'Azur: Vom "Planet Hollywood", wo er sich immer mal gerne sehen läßt, bis zur MTV-Party am Palm Beach Strand am anderen Ende der Bucht. Dort konzertierten die Spice Girls, eine höchst populäre britische Girly-Band, von der noch niemand weiß, ob sie die Halbwertzeit der Bay City Rollers erreichen. Sie wurde kurz eingeflogen, um "Spice - The Movie" zu promoten. Das ist grausamer Ernst: Die gestern noch gänzlich unbekannte Mädchengruppe bekommt tatsächlich schon einen eigenen Film! Noch mehr Kuriositäten gefällig? Wie wäre es mit Gerard Depardieu als Obelix? Demnächst als richtiger Film im Kino? Die spinnen die Franzosen! Oder mein liebster Filmtitel bislang: "Topless Girls talk about their lifes." (Oben-Ohne-Mädchen erzählen ihre Geschichte) Scheinbar ein später Nachkomme der Schulmädchen-Reporter.

Während die Menge ihren Depp erwartete, drängten sich ein paar Separatisten in das Nebenkino, das Claude Debussy, um als erste den neuen Wim Wenders "The End of Violence" zu sehen. Er hat hier noch einen guten Namen, der Gewinner von Palme ("Paris, Texas" 1984), Regiepreis ("Der Himmel über Berlin" 1987) und Grand Prix ("In weiter Ferne, so nah!" 1993). Die amerikanische Produktion hat jedenfalls Chancen, heftig diskutiert zu werden: Die futuristische Story beschwört diesmal nicht "Das Ende der Welt", sondern läßt Mike Max (Bill Pullman), den Produzenten besonders aufgefeilt gewalttätiger Filme, zum gehetzten Objekt staatlicher Gewalt werden. "Das Ende der Gewalt" enthält ganz ernsthafte Gedanken zu Gewalt (auch der des Films), zu Beobachtungskameras und wird von einem schleppenden Rhythmus getragen. Der Wettbewerbsfilm hat übrigens die wirklich besondere Ehre, am Feierabend des 50. zu laufen. Die Gästeliste dazu ist unfaßbar eindrucksvoll - passend zum Charakter von Cannes. Das Geburtstagskind fährt über fünfzig Stars auf, die jedes andere Festival einzeln als besonderen Ehrengast feiern würde: Coppola, Stallone, DeNiro, Campion, Depardieu ... Auch vom Feuerwerk, das die Küstenpromenade zu Klängen von Richard Strauß und "Indiana Jones" erschütterte, könnte sich manches andere Festival komplett finanzieren.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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