"Gequillte" Schokolade im Wettbewerb

 

Berlin. Der Wettbewerb er 51. Berlinale fuhr viele Prommis zum Wochenende auf: Juliette Binoche, Michael Caine, Kate Winslet, Anthony Hopkins - die Filme, die man sich damit einhandelte, waren dagegen kaum Aufsehen wert.

Zärtlich berühren Hände einen Frauenhals, sie windet sich, die Kamera gleitet langsam zurück und wir sehen, dass der Henker den Hals für die Guillotine freilegt. Ein klasse Kurzfilm, Applaus und schnell raus aus dem Kino. Denn was danach unter dem Titel "Quills - Macht der Besessenheit" kommt, ist das Grauen!

Der Marquis de Sade (Geoffrey Rush) lümmelt in seiner letzten Heimstätte, einer Heilanstalt, herum. Er wird eingeführt als Lüstling, eher ein Pornograph als ein Autor. Kein Mensch, nur eine überzogene Karikatur. Gerade begeistert sich das Volk an den drastischen Szenen seines aus der Anstalt geschmuggelten Romans "Justine", da rückt auch schon der böse Folterarzt Dr. Royer-Collard (Michael Caine) an, um den unverbesserlichen Schmutzfink zu heilen. Es kommt nicht zu einer Auseinandersetzung von Freizügigkeit und falscher Moral - gähn. Nachdem man ihm die Federn wegnimmt, schreibt er mit Wein und Hühnerknochen auf seine Bettdecke, dann im leeren Raum mit dem eigenen Blut auf die dreckigen Kleider und schließlich - nackt und in Ketten - mit Kot auf die Kerkerwände.

Regisseur Philip Kaufman filmt verzweifelt seinem Erfolg "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" hinterher. "Quills" zeichnet sich durch grobe Physiognomien und Figuren aus. Der verquere Film zuerst die Macht der Fiktion zu propagieren. Dann sagt er uns, dass falsch verstandene Literatur böse Folgen hat. Allerdings in einer so deperten Argumentation, dass ich als deutschen Titel für "Quills" nur Quark vorschlagen kann.

Ähnlich schlimm war "Chocolat" des Dänen Lasse Hallström: Der raue Nordwind weht zwei in rote Capes gehüllte Gestalten in ein französisches Märchendorf. Vianne (Juliette Binoche) mietet mit ihrer Tochter Anouk einen verlassen Laden, gestaltet ihn liebe- und kunstvoll zu einem Paradies der lateinamerikanischen Schokogenüße um. Dass dies ausgerechnet zur Fastenzeit geschieht, erzürnt den besonders moralischen Bürgermeister Comte de Reynaud (Alfred Molina) sehr.

Dem Kampf des Grafen gegen den sündigen Genuß hält Vianne immer neue Sinnenfreuden und ihre (Binoches) sehr schöne dreckige Lache entgegen. Die Situation eskaliert, als "Flußpiraten", umherziehende Zigeuner anlegen und mit Roux einen verführerischen Mann mitbringen. Der Comte redet vom Unkraut ausrupfen und ein frustrierter Ehemann entflammt sich anläßlich des Funkens der Fremdenfeindlichkeit.

So weit, so deutlich und mehr nicht. Ein alter Gegensatz in ein paar Figuren gegossen, dazu einige nette Scherze und dekorative Gestaltung. Das alles wirkt künstlich, ja sogar kunstgewärblich mit dem "ä" von "bäääh".


Berichte und Kritiken von der Berlinale 2001 von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers

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